• 17.10.2019, 22:00:02
  • /
  • OTS0188

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 18. Oktober 2019. Von GABRIELE STARCK. "Es ist noch nicht überstanden".

Innsbruck (OTS) - Es ist mehr als zweifelhaft, dass das abgeänderte
Brexit-Abkommen in London den parlamentarischen Segen erhält. Doch
die Briten müssen sich endlich entscheiden – wofür auch immer. Und
die EU muss klarmachen: Der Austritt ist ausverhandelt.

Aufatmen? Nein. Denn so weit wie gestern waren eine britische
Regierungschefin und die EU schon einmal. Vor knapp einem Jahr hieß
es ebenfalls: Wir haben ein Austrittsabkommen. Das britische
Parlament sah dies anders. Dreimal fiel die mühsam ausverhandelte
Vereinbarung in London durch, der Brexit wurde zweimal verschoben.
Warum also sollte es morgen Samstag im Unterhaus besser laufen? Die
Reaktionen der britischen Parteichefs auf den Durchbruch geben wenig
Anlass zur Hoffnung.
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sprach im Zusammenhang mit der
Nordir­land-Frage in den vergangenen Tagen der intensiven
Brexit-Verhandlungen wiederholt von der „Quadratur des Kreises“.
Damit räumte sie zugleich ein: Das Problem mit der irischen Grenze
ist auf dem Reißbrett nicht rundum zufriedenstellend lösbar. Es kann
wie in der Geometrie nur eine größtmögliche Annäherung geben.
Allerdings haben selbst die akribischst ausverhandelten technischen
Auswege aus dem Dilemma nicht über die britischen Befindlichkeiten
gesiegt. Nicht einmal die Tatsache, dass das Reizwort „Backstop“,
wonach Nordir­land ohne Einigung in der Grenzfrage in der
EU-Zollunion bleiben müsste, im neuen Papier verschwunden ist, ändert
das – obwohl dies Premier Boris Johnson als großen Erfolg verbuchen
kann. Die durchwegs negative Resonanz aus London auf das abgeänderte
Abkommen zeigt vielmehr, dass es nicht oder kaum um die irischen
Detailfragen geht. Die ablehnende Haltung hat ganz unterschiedliche
Beweggründe. Einer davon ist, dass etliche Abgeordnete gar keinen
Deal, sondern ein neues Austrittsreferendum wollen – etwa die
proeuropäischen Liberaldemokraten, die inzwischen Überläufer der
Tories und von Labour zu ihren Reihen zählen dürfen. Die schottischen
Nationalisten wollen ohnehin in der EU bleiben. Und Labour eint
parteiintern wohl nur, mit allen Mitteln zu versuchen, nach der Macht
zu greifen. Die Hardliner wiederum drängen darauf, alle Verbindungen
zum Kontinent zu kappen.
Daran wird sich nichts ändern und deshalb sollten sich die Briten
morgen entscheiden: entweder zum Deal; zu einem neuen Referendum über
Verbleib in der EU bzw. Austritt zu den gestern vereinbarten
Bedingungen; oder eben für einen harten Brexit ohne Abkommen. Einer
Verschiebung des Austritts wegen dieses Abkommens dürfen die
EU-Staaten auf keinen Fall mehr zustimmen. Es warten europäische und
globale Hausaufgaben auf die Union, ihre Inselprobleme müssen die
Briten jetzt selbst lösen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PTT

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel