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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 25. Juli 2019 von Wolfgang Sablatnig "Der Kreisel dreht sich immer schneller"
Innsbruck (OTS) - Thematisch haben die Kampagnen für die
Nationalratswahl bisher wenig geboten. Die Skandale und Skandälchen
der vergangenen Wochen haben aber schon gezeigt, wie schwer es wird,
Schein und Sein zu trennen.
Ein kurzer Wahlkampf. Das ist es, was die Parteien angekündigt haben.
Tatsächlich halten sie sich noch zurück, was Themen betrifft. Dabei
wäre es doch lohnend, breit zu diskutieren, wie sich unser Land in
den kommenden fünf Jahren entwickeln soll.
Wenig Inhalt also. In das Vakuum stoßen vermeintliche und echte
Affären – und vermeintliche und echte Opfer. Manches haben sich die
Betroffenen selbst zuzuschreiben. Die ÖVP und die Spenden etwa – wer
stückelt, muss mit den Folgen leben. Kaum besser war die Reaktion von
SPÖ, FPÖ und „Jetzt“, die neue Regeln für die Parteienfinanzierung so
geschnitzt haben, dass nur die anderen, ÖVP und NEOS nämlich,
betroffen sind.
Oder die ÖVP und das Schreddern – wo fragwürdige Absichten und
Dummheit einander treffen, ist der Schaden maximal. Wenn dann der
ÖVP-Generalsekretär diese Vorgangsweise auch noch beharrlich als
einzig richtige darstellt, weil ja den Beamten im Kanzleramt nicht zu
trauen sei, kann man Sebastian Kurz nur alles Gute wünschen, wenn er
wieder als deren Chef ins Kanzleramt einziehen sollte.
Andere Skandale und Skandälchen kommen von außen. Wir erinnern uns an
den Wahlkampf 2017, mit gefälschten Fan-Seiten im Internet und Dirty
Campaigning. Jetzt ist eine Seite aufgetaucht, die Kurz in die Nähe
von Drogenkonsum zu rücken versucht. Die Seite präsentiert sich
professionell und mit der Ankündigung weiterer Enthüllungen.
Nur die Betreiber der Seite verstecken sich in der Anonymität und
widersprechen so ihrem eigenen Anspruch der Seriosität. Der Vorwurf
aber ist in der Welt – und lässt sich nach mannigfachem Teilen auch
nicht mehr ungeschehen machen.
Anonym blieben bisher auch die Urheber des Ibiza-Videos, mit dem sich
Heinz-Christian Strache aus der Politik und die FPÖ aus der Koalition
katapultiert haben; Verschwörungstheorien sind Tür und Tor geöffnet.
Noch sind es mehr als neun Wochen bis zum 29. September. Doch der
Kreisel dreht sich schneller und schneller. Noch wäre Zeit, echte
Skandale von vermeintlichen Skandälchen zu trennen, um die Substanz
nicht ganz zu vergessen.
Dies gilt für alle. Für die Parteien, auch wenn sie sich am
schwersten damit tun, weil es für sie um alles geht. Für die Medien.
Aber auch für jede und jeden Einzelnen: Nicht alles ist im Wahlkampf
so, wie es scheinen mag. Aber auch nicht alles, was absurd klingt,
muss erfunden sein.
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