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Spitalsfinanzierung 2: „Belastung für die urbanen Räume“

Finanzierung fördert stationäre Behandlung – Pichlbauer: „Es gelten keine gesundheitsökonomische Bewertungsmaßstäbe“

Wien (OTS) - Die Bevorzugung der stationären Behandlung hat für Ballungsräume wie Wien Konsequenzen. Die Wienerinnen und Wiener liegen verhältnismäßig selten im Spital. Wenn sie aber stationär aufgenommen werden, sind sie überdurchschnittlich „zeitaufwendig“. ****

Laut dem Gesundheitsökonomen Ernest Pichlbauer ist die ärztliche Jahresarbeitszeit in Wien „eher niedrig“ – die Leerläufe sind jedoch österreichweit die geringsten. Deshalb ist die Arbeitsverdichtung in Wien am stärksten ausgeprägt, da die Fälle kompliziert und Ruhephasen für Ärztinnen und Ärzte sehr kurz sind. „Die Zahl der Patienten pro Arzt ist einfach zu hoch“, ergänzt dazu Ärztekammer-Vizepräsident Wolfgang Weismüller.

Laut Pichlbauers Untersuchungen werden Patienten mit der gleichen Krankheit, die in einem Bundesland beziehungsweise in einer Region ambulant (intra- oder extramural) versorgt werden, anderswo stationär aufgenommen. Es sei „nicht offensichtlich, wie ‚zeitaufwendig‘ so ein Spitalspatient ist und wie viel Spezialisierung er in Anspruch nimmt“.

Damit sei der „Patienten-Mix“ selbst in einer LKF-Gruppe, trotz eines einheitlichen Finanzierungsmodells, inhomogen – von Region zu Region, und von Bundesland zu Bundesland. Pichlbauer: „Grosso modo müssten Ambulanzen über den stationären Bereich finanziert werden.“ Ein nicht unerheblicher Teil der „willkürlichen“ Defizitdeckung dient laut Pichlbauer der Aufrechterhaltung von versorgungswissenschaftlich nicht notwendigen Strukturen (Standort-, Abteilung-, Ambulanzgarantien) im ländlichen Bereich. „Das belastet Wien und die urbanen Räume“, so Pichlbauer.

„Stück- statt Gesundheitsproduktivität“

Pichlbauers Fazit ist, dass „das derzeitige Finanzierungsmodell die stationäre Versorgung fördert und die Bettendichte bestimmt“. Die Krankenhaushäufigkeit werde durch die jeweilige Spitals-/Abteilungsgröße und Konkurrenz um LKF-Punkte getriggert. Solange diese „willkürliche“ Finanzierung bestehe, sei selbst dann nicht mit Änderungen zu rechnen, wenn Spitalsambulanzen eigene Finanzierungstangenten erhielten.

Laut Pichlbauer gelten „betriebswirtschaftliche und nicht gesundheitsökonomische Bewertungsmaßstäbe – es zählt die Stück- und nicht die Gesundheitsproduktivität“. Die Zahl der Patienten sei demnach wichtig, und nicht die erzeugte Gesundheit im Einzugsgebiet. Pichlbauer: „Das führt zu massiver Arbeitsverdichtung für das ärztliche Spitalspersonal.“

Ärztekammer fordert Änderungen in der Finanzierung

Für Weismüller ist auf Basis der Untersuchungen Pichlbauers die derzeitige Finanzierung des Gesundheitssystems „schlichtweg falsch“. Er fordert, dass „zumindest in einem ersten Schritt die ambulanten Behandlungen aus einer Hand finanziert werden“. Die Unterdeckung der Ambulanzen ist in Wien bei etwa 80 Prozent – „das darf nicht so weitergehen“, urteilt Weismüller. „Ich fordere daher die Politik auf, hier rasch gegenzusteuern, die Fakten und sinnvolle Lösungsansätze liegen auf dem Tisch und sind nicht von der Hand zu weisen.“

Die Forderungen der Ärztekammer im Überblick:

- Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand – zumindest in Bezug auf die ambulanten Behandlungen in den Spitälern.

- Die Arbeitsverdichtung ist aufgrund der fehlenden finanziellen Ressourcen zu hoch – die Wiener Spitäler brauchen mehr ärztliches Personal, um so die steigenden Patientenzahlen abzufedern.

- Der Bürokratieaufwand korreliert mit den steigenden Patientenzahlen. Auch hier muss investiert werden, damit Ärztinnen und Ärzte alle zeitlichen Ressourcen ihren Patienten widmen können.

- Die ärztliche Ausbildung wird ebenfalls aufgrund der zu geringen Ressourcen oft hintangestellt. Ohne ausgezeichnet ausgebildeten ärztlichen Nachwuchs wird es aber auch insbesondere aufgrund der kommenden Pensionierungswelle nicht gehen. Frei werdende monetäre Ressourcen aufgrund einer effizienteren Spitalsfinanzierung müssen auch in die Generation von morgen investiert werden.

„Wir haben bereits vor zehn Jahren davor gewarnt, dass es enger wird“, resümiert Weismüller. „Seitdem gehören Gangbetten und geschlossene Stationen gleichsam zum Spitalsalltag in Wien. Wenn man neuerlich zehn Jahre nicht auf uns hört, dann wird es noch viel schlimmer werden. Wir müssen jetzt gegensteuern – die Ärztinnen und Ärzte sind dazu bereit.“ (ast)

(Schluss)

Rückfragen & Kontakt:

Ärztekammer Wien
Mag. Alexandros Stavrou
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