• 20.08.2018, 13:41:13
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  • OTS0089

Papst schreibt Brandbrief zu Missbrauchsfällen in der Kirche

In vierseitigem Schreiben "An das Volk Gottes" benennt Franziskus mit "Scham und Reue" deutlich Versagen der Kirche - Wunden der Missbrauchsopfer "verjähren nie" - Ruf zu Umkehr und Kampf gegen "Klerikalismus" als eine der Hauptursachen für den sexuellen sowie psychischen Missbrauch

Utl.: In vierseitigem Schreiben "An das Volk Gottes" benennt
Franziskus mit "Scham und Reue" deutlich Versagen der Kirche -
Wunden der Missbrauchsopfer "verjähren nie" - Ruf zu Umkehr
und Kampf gegen "Klerikalismus" als eine der Hauptursachen für
den sexuellen sowie psychischen Missbrauch =

Vatikanstadt (KAP) - Papst Franziskus hat schwere Schuld der
katholischen Kirche in der Frage des Missbrauchs durch Ordensleute
und Priester eingeräumt. "Mit Scham und Reue geben wir als
Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo
wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig
gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens
erkannten", erklärt Franziskus in einem mehrseitigen Brief "an das
Volk Gottes", den der Vatikan am Montag veröffentlichte. In dem knapp
vierseitigen Schreiben kritisiert der Papst scharf den
"Klerikalismus" in der Kirche und fordert alle Katholiken auf, sich
gegen seine solche Kultur zu engagieren.

Die Wunden der Missbrauchsopfer "verjähren nie", heißt es in dem
Schreiben laut der vom Vatikan verbreiteten offiziellen
deutschsprachigen Übersetzung: "Der Schmerz dieser Opfer ist eine
Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt, die aber für
lange Zeit nicht beachtet, versteckt und zum Schweigen gebracht
wurde." Der Schrei der Opfer aber sei stärker gewesen "als die
Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen", oder
die meinten, das Leid mit Entscheidungen zu kurieren, die letztlich
alles nur schlimmer gemacht hätten.

Mit seinem Brief reagiert Franziskus unmittelbar auf den jüngsten
Bericht einer Grand Jury im US-Bundesstaat Pennsylvania zu
Missbrauchsfällen in der Kirche und deren Vertuschung in den
vergangenen Jahrzehnten, weiters auf die Entwicklung in Chile sowie
anhaltende Diskussionen vor seinem Besuch in Irland am kommenden
Wochenende.

Um Verzeihung zu bitten ist "nie genug"

Missbrauch sei "ein Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und
der Ohnmacht erzeugt, besonders bei den Opfern, aber auch bei ihren
Familienangehörigen und in der gesamten Gemeinschaft, seien es
Gläubige oder Nicht-Gläubige", bekennt der Papst in dem Schreiben. Um
Verzeihung zu bitten und den Schaden wiedergutzumachen sei in solchen
Fällen "nie genug".

Die Kirche müsse dringend noch einmal ihre "Anstrengung verstärken,
den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der
Anfälligkeit zu gewährleisten", hebt der Papst hervor. Insgesamt
gelte es "eine Kultur ins Leben zu rufen", die dafür sorgt, "dass
sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch
keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten".

In verschiedenen Weltregionen seien bereits Bemühungen gegen
Missbrauch in der Kirche unternommen wurden, um die Unversehrtheit
von Kindern, aber auch von Erwachsenen zu schützen. Dazu gehöre auch
eine "Null-Toleranz-Haltung" und Maßnahmen, um "Rechenschaft zu
fordern von allen, die diese Verbrechen begehen oder decken",
schreibt Franziskus: "Wir haben diese so notwendigen Aktionen und
Sanktionen mit Verspätung angewandt, aber ich bin zuversichtlich,
dass sie dazu beitragen, eine bessere Kultur des Schutzes in der
Gegenwart und in der Zukunft zu gewährleisten."

"Nein zu Klerikalismus"

Franziskus rief alle Glieder der Kirche zu Reue, Beichte, Fasten und
Gebet auf. Es sei unmöglich, "sich eine Umkehr des kirchlichen
Handelns vorzustellen ohne die aktive Teilnahme aller Glieder des
Volks Gottes".

Als eine der Hauptursachen für den sexuellen sowie psychischen
Missbrauch benennt der Papst "Klerikalismus" als falsches Verständnis
von Autorität in der Kirche, die "sehr verbreitet" sei in
Gemeinschaften, in denen sich sexueller Missbrauch und Macht- oder
Gewissensmissbrauch ereignet hätten. "Klerikalismus, sei er nun von
den Priestern selbst oder von den Laien gefördert", erzeuge "eine
Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele
der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen", schreibt
Franziskus: "Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von
Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen."

Das gesamte Volk Gottes müsse sich daran beteiligen, auf die Übel des
Missbrauchs und der Vertuschung zu antworten. "Alles, was man
unternimmt, um die Kultur des Missbrauchs aus unseren Gemeinschaften
auszumerzen, ohne alle Glieder der Kirche aktiv daran teilhaben zu
lassen", werde nicht die nötige Dynamik "für eine gesunde und
wirksame Umgestaltung" erzeugen, warnt der Papst.

((forts. mgl.)) GUT/RME
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