- 24.09.2017, 22:00:16
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Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 25. September 2017; Leitartikel von Gabriele Starck: "Merkel hat das Schwierigste noch vor sich"
Innsbruck (OTS) - Die Langzeitkanzlerin liegt nach der Wahl wieder
unangefochten vorne und wird doch in der nächsten Zeit massiver
Kritik ihrer Leute ausgesetzt sein. Zudem muss sie zögerliche
Juniorpartner von einer Zusammenarbeit überzeugen.
Merkel bleibt. Sie als strahlende Wahlsiegerin zu bezeichnen, wäre
dennoch vermessen. Die Verluste für die Union sind mit minus acht
Prozentpunkten doch gravierend und höher als zuletzt erwartet. Dass
Merkel trotz guter Wirtschaftsdaten an Zuspruch verlieren wird, war
angesichts des Flüchtlingsjahrs 2015 klar. Dass gestern eine Million
der Unions-Wähler zur rechtsnationalen AfD abwanderte, schlägt aber
doch eine Wunde in die Union, die bald zu eitern beginnen könnte.
Dann nämlich, wenn die konservativen Kräfte, vor allem die bayerische
CSU, angesichts des eigenen schwachen Ergebnisses Merkel dazu
drängen, von der Mitte nach rechts zu rücken, um diese Wähler
zurückzuholen. Die bayerische Landtagswahl im nächsten Jahr wird
diesen Druck aus dem Süden noch erhöhen.
Merkel kann den Kritikern in den eigenen Reihen aber
entgegenhalten, dass die Union nach zwölf Jahren mit ihr an der
Spitze immer noch mehr als zehn Prozentpunkte vor der Herausforderin
SPD liegt. Ebenso dürfte ihrer Haltung die nun wahrscheinliche
Regierungskoalition – Schwarz-Gelb-Grün – zugutekommen. „Jamaika“ ist
– zumindest im Moment – auch deshalb die einzige Option für Merkel,
weil die SPD nach dem Debakel von gestern sofort den Gang in die
Opposition ankündigte.
Für das Ergebnis der SPD ist einmal der fehlende Wechselwille
jener verantwortlich, die vom prosperierenden Deutschland
profitieren. Auf der anderen Seite waren die Versprechungen von mehr
Gerechtigkeit für all jene nicht glaubhaft, die nach wie vor unter
den harten sozialen Einschnitten der letzten SPD-geführten Regierung
unter Gerhard Schröder leiden, an denen die SPD auch zuletzt als
Juniorpartner nichts änderte. Schulz selbst hat den Fehler gemacht,
seine europapolitische Kompetenz dem Provinziellen unterzuordnen, was
er mit dem ständigen Bemühen seines Heimatorts Würselen auch noch
unterstrich.
Schulz hat das Schwierigste nun hinter sich, Merkel noch vor sich.
Sie muss die FDP und die Grünen zu einer Zusammenarbeit überreden.
Wobei nicht die fehlende Übereinstimmung zwischen den
Wirtschaftsliberalen und den Ökos das Problem ist, sondern vielmehr
die schlechte Erfahrung, die Juniorpartner in Merkels drei Kabinetten
bislang machen mussten. Die beiden großen Koalitionen brachten der
SPD 2009 und gestern das jeweils historisch schlechteste Ergebnis.
Und die FDP flog nach ihrer Regierungszusammenarbeit mit Merkel 2013
ganz aus dem Bundestag. Das schränkt eine allfällige Vorfreude aufs
Regieren ein.
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