Zum Inhalt springen

TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 19. Jänner 2017 von Peter Nindler - Verschärfung klingt immer gut

Innsbruck (OTS) - Bei straffällig gewordenen Asylwerbern oder Migranten braucht es weniger gesetzliche Verschärfungen, sondern Unterstützung im Vollzug. Ohne Heimreise-Zertifikate dreht sich der Rechtsstaat Österreich weiter im Kreis.

Eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit Asyl und Migration scheitert schlichtweg an der Politik. Im Großen wie im Kleinen, deshalb sind Frust, Verunsicherung und Abwehrhaltung in der Bevölkerung entsprechend groß. Nach den Silvester-Übergriffen in Innsbruck war die Politik rasch mit dem Ruf nach gesetzlichen Verschärfungen zur Stelle. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind das eine, vielfach scheitert es jedoch am Vollzug der Maßnahmen. Vorerst klingt es allerdings einmal gut, wenn sich Politiker als Problemversteher empören und gleichzeitig als Macher präsentieren können. Doch bewältigen sie tatsächlich die Herausforderungen? Nein, weder in Österreich noch auf europäischer Ebene.
Die Nordafrikanerszene in Innsbruck nimmt die gesamte Flüchtlingspolitik im Land in Geiselhaft. Die teils kriminellen Migranten sind dafür verantwortlich, dass am Ende die ablehnende Haltung gegenüber den tatsächlich Schutzbedürftigen zunimmt. Die Exekutive ahndet die Verstöße Tag für Tag, die straffällig gewordenen Migranten landen im Gefängnis und erhalten in der Folge einen Abschiebungsbescheid. Und was dann? Indem die Politik strengere Gesetze fordert, lenkt sie vom wahren Problem ab: Denn Staaten wie Marokko, Algerien oder Tunesien nehmen nur ganz wenige ihrer Staatsbürger zurück, es fehlen die notwendigen Heimreise-Zertifikate. Primär versagt hier die EU, betroffen ist jedoch Österreich. Denn bisher hat man es nicht geschafft, mit den Maghreb-Staaten Vereinbarungen über die Rücknahme von Einheimischen zu treffen, die keine Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung in der EU haben. So gesehen dreht sich die politische Debatte im Kreis, die Konfliktsituation bleibt.
Gleichermaßen eindimensional legt Innenminister Wolfgang Sobotka (VP) bei der Asylobergrenze die Latte noch tiefer. Plötzlich soll sie von 35.000 im heurigen Jahr halbiert werden, weil Österreich die Integration nicht schafft. Was will uns der Innenminister damit sagen? Politisch klingt es einmal gut, damit wird er den Applaus der FPÖ ernten, die es ja immer schon gewusst hat. Auf den zweiten Blick ist es jedoch ein Selbstfaller wie bei den Nordafrikanern in Innsbruck. Die Politik gibt rasche Antworten auf schwierige Herausforderungen. Integration ist eine davon. Vielleicht wäre es ehrlicher, sich einmal intensiv mit den Problemstellungen auseinanderzusetzen und dann Lösungen zu erarbeiten. Alles andere signalisiert nur Hilflosigkeit: sowohl bei den Integrationsbemühungen als auch gegenüber der Nordafrikanerszene in Tirol.

Rückfragen & Kontakt:

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | PTT0001