- 23.06.2016, 14:32:21
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Rechnungshof hinterfragt Einrichtung der MedUni Linz
Komplizierte Finanzierungsstruktur, genereller Ärztemangel nicht feststellbar
Utl.: Komplizierte Finanzierungsstruktur, genereller Ärztemangel
nicht feststellbar =
Wien (PK) - Im Herbst 2014 haben die ersten 60 Studierenden ihr
Medizinstudium an der neuen Medizinischen Fakultät Linz aufgenommen.
Bis zum Studienjahr 2022/23 soll die Zahl der StudienanfängerInnen
kontinuierlich auf 300 steigen. Ob es überhaupt sinnvoll war, einen
fünften Standort für die medizinische Universitätsausbildung in
Österreich einzurichten, ist allerdings fraglich. Zumindest wenn es
nach dem Rechnungshof geht. Er hat die Planung der landläufig als
MedUni Linz titulierten Fakultät penibel unter die Lupe genommen und
dem Nationalrat dazu Ende vergangenen Jahres einen kritischen
Prüfbericht vorgelegt. Heute stand dieser im Rechnungshofausschuss
des Hohen Hauses zur Diskussion. Meinhard Lukas, Rektor der Johannes
Kepler Universität Linz, ist jedoch überzeugt, dass die Entscheidung
für den Standort Linz eine gute war.
In seinem Prüfbericht (III-222 d.B.) verweist der Rechnungshof unter
anderem auf die komplizierte Finanzierungsstruktur, die sich daraus
ergibt, dass grundsätzlich der Bund für die Finanzierung von
Universitäten zuständig ist, im Falle der MedUni Linz aber sowohl das
Land Oberösterreich als auch die oberösterreichischen Gemeinden
Finanzierungsbeiträge leisten. Und das obwohl nur 58% der
zugelassenen StudienanfängerInnen im ersten Studienjahr aus
Oberösterreich stammten, wie im Prüfbericht angemerkt wird. Aufgaben-
, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung klafften damit wieder
einmal auseinander, die Anzahl der Finanzierungsströme zwischen Bund
und Ländern sei weiter gewachsen. Auch die verpflichtende Kooperation
zwischen der MedUni Linz und der Uni Graz ist für die PrüferInnen
nicht nachvollziehbar.
Der Rechnungshof macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass
Österreich im internationalen Vergleich eine Spitzenposition
einnimmt, was die Zahl der graduierten MedizinerInnen und die
Ärztedichte betrifft. Hingegen hinkt man beim Verhältnis zwischen
ÄrztInnen und anderem Krankenhauspersonal deutlich hinterher. Nur in
wenigen EU-Ländern gibt es weniger Krankenschwestern und
Krankenpfleger im Vergleich zur Zahl der ÄrztInnen als in Österreich.
Zwar wandern überproportional viele in Österreich ausgebildete
MedizinerInnen ins Ausland ab, aus einer vom Gesundheits- und vom
Wissenschaftsministerium gemeinsam in Auftrag gegebenen
Ärztebedarfsstudie lässt sich laut Rechnungshof die Gefahr eines
Ärztemangels aber nicht zwingend herauslesen. Von den 42 Empfehlungen
der Studie zur nachhaltigen Sicherung des österreichischen
Gesundheitswesens betreffe jedenfalls keine die Errichtung einer
weiteren medizinischen Universität oder Fakultät, heißt es im Bericht
kritisch. Ganz abgesehen davon, dass eine Schaffung zusätzlicher 300
Studienanfängerplätze laut Rechnungshof auch durch den Ausbau der
bestehenden Universitätsstandorte möglich gewesen wäre und das
Projekt nicht in eine gesamthafte Bundesstrategie integriert war.
Die Kosten für die Errichtung der Universität Linz werden mit rund
630 Mio. € bis zum Jahr 2027 veranschlagt, wobei laut
Rechnungshofbericht das Risiko einer Kostenüberschreitung zum
Zeitpunkt der Gebarungsüberprüfung nicht ausgeschlossen war.
Empfohlen wird dem Wissenschaftsministerium unter anderem eine
Strategie zu entwickeln, um die Abwanderung von ÄrztInnen aus
Österreich einzudämmen. Der Rechnungshof hält es außerdem für
notwendig, auf die Einhaltung der Finanzierungsverpflichtungen
seitens des Landes Oberösterreich zu achten und eine schriftliche
Kostentragungsregelung zwischen der Medizinischen Universität Graz
und der Universität Linz zu vereinbaren.
Grüne warnen vor "Verländerung" der Universitätspolitik
Der Kritik des Rechnungshofs schlossen sich heute auch Grüne, NEOS
und das Team Stronach an. Es sei zwar vergossene Milch, über die
MedUni Linz zu diskutieren, da die Fakultät bereits eingerichtet sei,
meinte Sigrid Maurer (G), sie hofft aber, dass die Politik aus dem
Bericht des Rechnungshofs Lehren für die Zukunft zieht. Es könne
nicht sein, dass sich das Wissenschaftsministerium von einer
Gesamtstrategie im Bereich der Hochschulpolitik verabschiede und nach
und nach in allen Bundesländern eine medizinische Fakultät genehmige,
warnte sie etwa vor einer "Verländerung" der Universitätspolitik.
Maurer befürchtet außerdem, dass die Einrichtung zusätzlicher
Studienplätze für MedizinerInnen die Position Österreichs gegenüber
der EU-Kommission in Bezug auf die derzeit von der EU noch tolerierte
Quotenregelung schwächen könnte.
Kritisch beurteilte Maurer außerdem Pläne zur Einrichtung einer
medizinischen Privatuniversität in Innsbruck. Es brauche keinen
Wildwuchs privater Universitäten in Österreich.
Der Rechnungshof stelle "sehr schön dar", dass ein Ärztemangel in
Österreich nicht belegbar sei, hielt Claudia Gamon (N) fest. Ihrer
Meinung nach wäre es wichtiger, den Fokus darauf zu richten,
StudienabsolventInnen im Land zu halten, statt neue Studienplätze für
angehende Ärzte anzubieten. Auch Ausschussvorsitzende Gabriela Moser
(G) hinterfragte, ob eine neue medizinische Fakultät die richtige
Antwort auf den Umstand sei, dass 40% der AbsolventInnen des
Medizinstudiums Österreich verlassen. Es gehe schließlich darum,
Steuergeld effizient zu verwenden. Ebenfalls kritisch äußerte sich
Abgeordnete Martina Schenk (T).
Anders sieht das SPÖ-Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl. Für sie hat die
MedUni Linz jedenfalls ihre Berechtigung. In ländlichen Regionen
bestehe akuter Ärztemangel bei der Grundversorgung, machte sie
geltend. Darauf wies auch ihr Fraktionskollege Erwin Preiner hin.
Wichtig ist es Gessl-Ranftl in diesem Sinn, oberösterreichischen
Medizinstudierenden im Bundesland Arbeitsplätze zu sichern.
Müller: Medizinische Unis sind keine "Zulieferindustrie" für Spitäler
Rückendeckung erhielt der Rechnungshof vom Rektor der Medizinischen
Universität Wien Markus Müller, der auch Präsidiumsmitglied der
Österreichischen Universitätenkonferenz ist. Er sei grundsätzlich
dafür, in Universitäten und in Bildung zu investieren, der Ansatz
noch mehr Ausbildungsstätten für MedizinerInnen einzurichten sei aber
der falsche, erklärte er. Damit würden bestehende Probleme nicht
behoben, sondern verschärft. Zudem schade man damit der Wahrnehmung
Österreichs als Forschungsstandort. Viel wichtiger wäre es seiner
Meinung nach, sich die Frage zu stellen, warum es nicht gelinge,
StudienabsolventInnen aus anderen EU-Ländern in Österreich zu halten.
Müller glaubt nicht, dass die Abwanderung vorrangig damit zu tun hat,
dass die StudienabsolventInnen in ihr Heimatland zurückkehren
wollten. Die MedizinerInnen gingen dorthin, wo es die besten
Arbeitsbedingungen gebe, sagte er. In diesem Sinn hält er die Debatte
über die Zahl der Studienplätze auch für eine
Stellvertreterdiskussion für ganz andere Probleme. Man brauche
attraktivere Rahmenbedingungen für ÄrztInnen. "Wir investieren Geld
in falsche Kanäle."
Müller erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass man noch vor
einigen Jahren vor einer Ärzteschwemme in Österreich gewarnt habe,
obwohl es damals weitaus weniger StudienabsolventInnen in Österreich
gegeben habe als jetzt. Das Problem sei jedenfalls nicht, dass
hierzulande zu wenig ÄrztInnen ausgebildet würden. Österreich habe
eine um 100% höhere Absolventenquote als Schweden und eine um 60%
höhere Ärztedichte als die Niederlande, untermauerte er seine
Ausführungen mit Zahlen.
Generell warnte Müller davor, die medizinischen Universitäten als
"Zulieferindustrie" für die Spitäler zu betrachten. Im Vordergrund
müsse die Forschung stehen. Aus diesem Grund äußerte er sich auch zur
Einrichtung von Privatuniversitäten grundsätzlich kritisch. Besonders
negativ beurteilte er dabei Franchising-Modelle wie in Deutschland,
für ihn kommt eine forschungsfreie Medizinerausbildung nicht in
Frage. Müller sieht in diesem Zusammenhang auch einen gewissen
Nachschärfungsbedarf bei der Beurteilung der Forschungsleistung von
Privatunis.
Nicht möglich wäre es laut Müller gewesen, als Alternative zur MedUni
Linz die Zahl der Studienplätze an der Medizinischen Universität Wien
zu erhöhen, wie er gegenüber ÖVP-Abgeordneter Claudia Durchschlag
erklärte. Darunter hätte die Qualität der Ausbildung gelitten, ist er
überzeugt. Laut Müller hat Wien derzeit eine nahezu 100-%ige
Absolventenquote, während noch vor 15 Jahren mehr als 50 % der
Studierenden das Medizinstudium abgebrochen haben.
Forschungsschwerpunkte Medizintechnik und Gesundheitsversorgung in
Linz
Eine Lanze für die medizinische Fakultät in Linz brach der Rektor der
Uni Linz, Meinhard Lukas. Man könne natürlich infrage stellen, ob
eine zusätzliche Ausbildungsstätte für MedizinerInnen in Österreich
notwendig gewesen wäre, meinte er, Linz sei aber ein guter Standort
für ein entsprechendes Angebot. Schließlich habe man die medizinische
Fakultät nicht nur zur Deckung des Ärztebedarfs eingerichtet,
wesentliches Kriterium sei auch der Forschungsaspekt gewesen. Darauf
wurde auch seitens des Wissenschaftsministeriums besonderer Wert
gelegt.
Lukas hob in diesem Zusammenhang die enge Kooperation der
medizinischen Fakultät mit anderen Fakultäten der Uni Linz hervor,
wobei er als Forschungsschwerpunkte vor allem die Medizintechnik und
die Versorgungsforschung nannte. Konkret verwies er etwa auf die
Entwicklung einer künstlichen Netzhaut oder die Verwendung
innovativer Kunststoffmaterialen zur Vermeidung von Abstoßreaktionen.
Die Kooperation mit der Universität Graz begründete Lukas damit, dass
diese zwar Kapazitäten an der Universität selbst, aber keine
Kapazitäten für die klinische Ausbildung gehabt habe, während das
Kepler-Klinikum hier enorme Kapazitäten biete. Anders als die
Oppositionsabgeordneten zeigte er sich außerdem zuversichtlich, dass
es gelingen wird, die AbsolventInnen der Medizinischen Fakultät in
Linz, vor allem jene aus Oberösterreich, im Bundesland zu halten. Als
weiteren Vorteil hob er die klare Trennung der Finanzierungsströme
für Lehre und Forschung auf der einen Seite und für die
Gesundheitsversorgung auf der anderen Seite in Linz hervor. Allgemein
wies er auf die Bedeutung von Pluralität in der
Wissenschaftslandschaft hin.
Einig ist sich Lukas mit Müller, was die kritische Beurteilung der
Einrichtung einer medizinischen Privatuni in Innsbruck betrifft. Er
bezweifelt, dass die Finanzierung auch für die notwendige
Forschungstätigkeit reichen wird.
Mahrer: Wissenschaftsressort hat wenig Einfluss auf
Arbeitsbedingungen von Ärzten
Staatssekretär Harald Mahrer machte geltend, dass das
Wissenschaftsministerium wenig Einfluss auf die Arbeitsbedingungen
für ÄrztInnen in Österreich habe, etwa was Ausbildung und
Weiterbildung in den Spitälern, die Bezahlung oder die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf betrifft. Er sieht in dieser Frage insbesondere
die Träger der Krankenanstalten bzw. die zuständigen Stellen für
Ärzte im niedergelassenen Bereich in der Verantwortung. Außerdem
verwies er auf den internationalen Wettbewerb. Das Ministerium könne
nur für ordnungspolitische Rahmenbedingungen im Bereich der
universitären Ausbildung Sorge tragen. In diesem Sinn würden auch
Gespräche mit der EU-Kommission geführt. Die Kosten für die MedUni
Linz sind laut Mahrer in die mittelfristige Budgetplanung für die
Universitäten "eingepreist".
Was die geplante medizinische Privatuniversität in Innsbruck
betrifft, betonte Mahrer, dass das Ministerium in erster Linie die
Einhaltung von Qualitätskriterien bei der Zulassung und im weiteren
Betrieb zu prüfen habe. Dabei würde auch das Zusammenwirken von Lehre
und Forschung berücksichtigt. Ansonsten müsse lediglich
sichergestellt sei, dass die Finanzierung vollkommen autonom, also
ohne den Bund als Finanzierungsquelle, erfolge. Sollten die
Abgeordneten diese Systematik ändern wollen, wäre eine Novellierung
des Privatuniversitätengesetzes erforderlich. Mahrer steht privaten
Universitäten allerdings grundsätzlich nicht skeptisch gegenüber,
diese würden auch den Wettbewerb beleben.
Für Grün-Abgeordnete Maurer ist es allerdings nicht schlüssig, dass
das Finanzierungsverbot für Privatuniversitäten nur für den Bund
gilt, nicht aber etwa für die Länder oder andere öffentliche
Einrichtungen wie die österreichischen Universitäten. Schließlich
gehe es in allen Fällen um Steuergeld. Derzeit werden ihr zufolge 10
von 12 Privatunis in Österreich mit öffentlichem Geld finanziert.
Auch in Tirol sei eine Beteiligung der öffentlichen Hand vorgesehen.
Moser: Politik hat sich nicht an Entscheidungsgrundlagen orientiert
Rechnungshofpräsident Josef Moser bekräftige die im Prüfbericht
geäußerte Kritik. Es sei das Recht der Politik Entscheidungen zu
treffen, meinte er, man habe sich im Fall der MedUni Linz jedoch
nicht an den vorhandenen Entscheidungsgrundlagen orientiert. So sei
die neue medizinische Fakultät nicht in eine Gesamtstrategie
eingebettet gewesen und habe sich auch im Hochschulplan nicht
wiedergefunden.
Moser verwies überdies nochmals auf die im Bericht zitierte
Ärztebedarfsstudie, die in keinem Punkt empfohlen habe, einen neuen
medizinischen Ausbildungsstandort einzurichten. Vielmehr würden sich
dort Empfehlungen wie die Steigerung der Attraktivität des
Ärzteberufs, die Reduzierung der Verwaltungstätigkeit, eine
ausbildungsgerechte Verwendung von JungärztInnen und der Abbau des
Missverhältnisses zwischen Arbeitszeit und Gehalt finden. Die
Investitionen in Österreich würden, so Moser, falsch getätigt: "Wir
bilden mehr Ärzte in Österreich aus, obwohl wir wissen, dass viele
Österreich verlassen." Moser machte überdies darauf aufmerksam, dass
es in Deutschland - im Verhältnis zur Einwohnerzahl - weniger
medizinische Universitäten als in Österreich gibt und dort eine
Diskussion darüber laufe, die Zahl der Standorte zu reduzieren.
(Fortsetzung Rechnungshofausschuss) gs
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