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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 4. März 2016. Von PETER NINDLER. "Schwachstelle Bürgermeister".
Innsbruck (OTS) - Tausende illegale Freizeitwohnsitze lassen sich in
Tirol weder wegdiskutieren noch verhindern. Die Bürgermeister schauen
zu oft weg oder gar nicht hin. Deshalb bleiben landesgesetzliche
Änderungen wirkungslos.
Wegschauen, das ist seit Jahrezehnten die Devise der Bürgermeister.
Bei den Freizeitwohnsitzen nehmen sie es nicht so genau, obwohl sie
für die Widmung zuständig sind. Die strengen gesetzlichen Schranken
waren nie eine große Hürde für einen Freizeitwohnsitz in Tirol. Der
Wildwuchs begann schon in den 1970er-Jahren, 20 Jahre später wurde er
zum Problem. Aber da war es schon zu spät. Der Beitritt zur
Europäischen Union liberalisierte schließlich die letzten
Hindernisse, die große Nachfrage befeuerte die Grundstückspreise.
Heute müssen Käufer von Immobilien nur noch erklären, dass sie keinen
Freizeitwohnsitz errichten. Die Erklärung verursacht zwar viel
bürokratischen Aufwand, ist aber im Grunde nichts wert.
Wegen der Bodenknappheit sind die Bürgermeister gezwungenermaßen
sensibler geworden, das heiße Eisen Freizeitwohnsitze fassen sie
allerdings weiterhin mit Samthandschuhen an. Schon eher stöhnt der
Tourismus unter den „kalten Betten“, weil sie kaum etwas zur
touristischen Wertschöpfung beitragen. Dass das Land jetzt die
Gemeinden in die Pflicht nimmt, sie zur landesweiten Erfassung der
Freizeitwohnsitze mitverpflichtet und ihnen Parteistellung in
Umgehungsverfahren geben möchte, ist ein richtiger Schritt, aber
letztlich wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn es wäre
weltfremd zu glauben, die für das Land negative Entwicklung ließe
sich wirklich noch eindämmen. Vielmehr gibt es neue Varianten für
Feriendomizile.
Der Tourismusberater Peter Haimayer hat schon vor Jahren vor dem
Umwidmungsdruck im Zusammenhang mit Hotels gewarnt, deren
ursprüngliche Beherbergungsfunktion aufgegeben wird. Die Nachfrage
nach Freizeitwohnsitzen begünstigt aus seiner Sicht auch Bemühungen,
Hotelinvestitionen über den Verkauf von Feriensuiten (mit) zu
finanzieren. Eigentlich hätten es die Ortschefs in der Hand, hier
raumordnerisch einzugreifen und die Widmungen zu versagen. Doch genau
das Gegenteil passiert.
Die Schwachstelle bei den Freizeitwohnsitzen liegt also nach wie vor
in den Gemeinden. Reformen des Landes sind deshalb nur gesetzliche
Kosmetik und wirken wie Placebos; so wie die Möglichkeit der
Kommunen, vorzeitige Erschließungskosten für Baugrundstücke
einzuheben oder Vorbehaltsflächen für den sozialen Wohnbau
auszuweisen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit pochen die
Bürgermeister auf die Gemeindeautonomie, in der Bau- und Raumordnung
sowie in der Widmungspolitik versagen sie damit jedoch kläglich.
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