TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Aber bitte nicht vor den Wahlen", von Anita Heubacher
Ausgabe vom 8. Oktober 2015
Innsbruck (OTS) - Im Streit um höhere Gehälter für Ärzte und Pflege kommt nach der Übergangslösung eine Übergangslösung. Für die Verhandler ist das eine Atempause. Mit einem Ergebnis vor den Gemeinderatswahlen hat ohnehin keiner mehr gerechnet.
Was haben die Gemeinderatswahlen mit dem Ärztestreit zu tun? Nun, nachdem es anders als in anderen Bundesländern in Tirol keine Spitalsholding gibt, sind neben dem Land auch fünf Gemeindeverbände und ein Klosterorden Spitalsträger. Würden die Gehälter der Ärzte und vor allem der zahlenmäßig überlegenen Pflege und der Verwaltung erhöht, müssten die Gemeinden tief in die Tasche greifen und woanders vermutlich sparen. Das kommt nicht so gut, wo doch im Februar Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen anstehen.
Früher einmal, da gehörten Spitäler zum absoluten Prestige-Portfolio der Bürgermeister und der Länder. In ganz Österreich. Das erklärt auch die Spitalslandschaft, deren Wildwuchs in der Zwischenzeit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich eingedämmt werden musste. Seit die Krankenhäuser Löcher in die Gemeindefinanzen reißen und das Geld knapp wird, ist die Lust am Spitalsbetreiben seitens der Gemeinden gesunken.
Die vielfältige Struktur der Spitalsbetreiber erklärt auch, warum nach knapp einem Jahr Verhandeln keine Lösung vorliegt und es wieder eine Übergangslösung geworden ist. Ein einheitliches Gehaltsschema in den Spitälern und in den Altenheimen ist das Ziel und macht Sinn, um wenigstens ein Sich-gegenseitig-Ausspielen der Häuser im Abwerben von Ärzten auszuschließen. Das Abwerben zwischen den Bundesländern geht allerdings munter weiter, weil keine österreichweite Lösung zustande gebracht wurde.
Was nun ist die Tiroler Übergangslösung? Ärzte bekommen 2016 ebenso wie 2015 mehr Geld, als Einmalzahlung, die Pflege zieht 2016 nach. Insgesamt werden 35 Millionen Euro ins System gepumpt, die Gehaltsforderungen hatte Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg in der heißen Verhandlungsphase mit insgesamt 200 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Ob nun die Übergangslösung dazu taugt, Ärzte am Abwandern zu hindern, den Klinikbetrieb aufrechtzuerhalten und die Zufriedenheit an den Spitälern zu heben, ist schwer einzuschätzen. Wenn man sich die Stimmung an den Spitälern im heurigen Jahr nach der ersten millionenschweren Übergangslösung anschaut, bleiben berechtigte Zweifel. Da war oft von Streiks die Rede und, je länger verhandelt wurde, von Resignation.
Am Ende des Verhandlungsjahres beschleicht einen der Eindruck, die Verhandler wurden wieder an den Anfang zurückkatapultiert.
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