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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 17. Juli 2015 von Michael Sprenger "Aleksandar, Zlatko und wir"
Innsbruck (OTS) - Integrationspolitik gehört nicht zu den Stärken der
heimischen Politik. Seit wenigen Jahren versucht die Regierung, sich
ihrer Verantwortung zu stellen. Immerhin. Doch die
Integrationspolitik wird weiter eine Sisyphusarbeit bleiben.
Vielleicht herrscht anlässlich der Fußball-Europameisterschaft in
einem Jahr eine Euphorie hierzulande. Mag sein, dass sich die Kinder
dann freuen, wenn sie eine Fußballdress der Nationalmannschaft tragen
und es zum Allgemeingut gehört, zu wissen, wer Aleksandar Dragovic
ist und welchen Fluchtweg Zlatko Junuzovic mit seinen Eltern
zurücklegen musste. Wer weiß, vielleicht getraut sich dann auch
selten einer, blöde Neger-Witze zu erzählen, weil vor seinem
geistigen Auge der Film über ein Freistoßtor von David Alaba abläuft,
welches so ein Wir-Gefühl in uns ausgelöst hat. Aleksandar, Zlatko
und wir.
Was im Fußball zur Selbstverständlichkeit geworden ist, fehlt in den
allermeisten gesellschaftlichen Ebenen. Vor fünf Jahren wurde der
"Nationale Aktionsplan für Integration" verabschiedet. Diese Maßnahme
war ein später Versuch, den Weg hin zu einer aktiven
Integrationspolitik einzuschlagen. Bis heute ist dieser Weg einer,
der in breiten Teilen der Bevölkerung nicht als Erfolgsweg
wahrgenommen wird. Dies hat mehrere Gründe. Lange Zeit betrieben die
Bundesregierungen in der Vergangenheit eine Politik des Wegschauens.
Dieses "Nur-nicht-Thematisieren" nützte die FPÖ seit Jahren mit einer
sattsam bekannten Politik aus. Als einzige Antwort hatten die
Regierungen gesetzliche Verschärfungen parat, die die FPÖ ihrerseits
mit weiteren Zuspitzungen quittierte.
Mit dem Nationalen Aktionsplan wurde erstmals der Versuch gestartet,
aus dieser Spirale auszusteigen. Dass einen wichtigen Eckpunkt
seither die frühe Sprachförderung darstellt, ist ebenso
selbstverständlich wie richtig. Doch selbst hier scheint noch vieles
im Argen zu liegen. Dass eine chancengleiche Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsmarkt ohne das Beherrschen der
Sprache möglich ist, wird wohl niemand ernsthaft behaupten. Wenn
jetzt die SPÖ nicht mehr kategorisch "Vorbereitungsklassen" ablehnt,
in denen quereinsteigende Schüler unterrichtet werden sollen, und
auch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr diskutiert wird,
dann könnte zumindest diese jüngere Generation in den Nutzen der
"Sisyphusarbeit" kommen, von der Heinz Faßmann, Vorsitzender des
Expertenrats für Integration, sprach.
Ja, Faßmann hofft auf die Wirkung von Dragovic, Junuzovic und Alaba,
als er hinzufügte, dass Sisyphos ein glücklicher Mensch war. Von
solchem Glück sollten alle in Österreich profitieren.
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