Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 4. Jänner 2015. Von FLORIAN MADL. "Wenn selbst der Chef mitschaufelt".
Innsbruck (OTS) - Untertitel: Der Charme des Bergiselspringens entspringt der Basis seiner Organisation: Hier sind Vereinsmitglieder am Werk.
Vom Parallel- bis zum V-Stil, vom reinen Zuschauerevent bis zum Quotenbringer im Fernsehen: Das Bergiselspringen überdauerte den sportlichen Paradigmenwechsel ebenso wie den ökonomischen. Und wenn mittlerweile auch die Finanzpolizei ein Auge auf die Traditionsveranstaltung geworfen hat, so hat das nichts mit fehlender Lauterkeit seiner Initiatoren zu tun. Vielmehr signalisiert das Interesse, dass nicht alle Bereiche dieses Events mit der Zeit gehen. Das Ehrenamt hielt die dritte Tourneestation die vergangenen 62. Auflagen hoch, noch einmal 62 Bergiselspringen wird es auf dieser Basis wohl nicht geben.
Die Entwicklung erscheint symptomatisch für das, was viele Tiroler Sportvereine feststellen: Sich ohne Gegenleistung in den Dienst einer Sache zu stellen, für ein Paar Würstel seinen Dienst zu verrichten, gilt nicht mehr als erstrebenswert. Gesellschaftlichen Kitt bilden soziale Netzwerke. Und wer Sport betreibt, braucht dafür keinen Obmann, Schriftführer oder Kassier, die Erwähnung im Rahmen einer Jahreshauptversammlung hat an Reiz verloren. Dann doch lieber gleich ein Foto online stellen und auf "Likes" hoffen.
13.500 Tiroler wirken noch ehrenamtlich in Sportvereinen. Und während diese Zeilen geschrieben werden, denken gerade wieder welche über ihren Rückzug nach. Möglicherweise ist es das, was Veranstaltungen wie dem Bergiselspringen abseits seiner touristischen Dimension solch einen Charme verleiht: Das Schneeschaufeln übernehmen keine Subunternehmen, sondern - wie am Donnerstag - einige Innsbrucker Vereinsvertreter. Und darunter der Organisationschef selbst, nebenbei der Tourneepräsident.
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