- 21.10.2013, 19:35:25
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Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 22. Oktober 2013; Leitartikel von Markus Schramek: "Sozialpartnerschaft, eine Frage des Stils"
Innsbruck (OTS) - Utl: Jeden Herbst wiederholt sich bei der
Metaller-Lohnrunde ein Ritual, das nach fest verankerten Regeln
abzulaufen scheint. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten über ihren
künftigen Umgang miteinander dringend nachdenken.
Eine Politik neuen Stils versprechen die Langzeitkoalitionäre SPÖ
und ÖVP für den Fall, dass es weitere fünf gemeinsame Jahre in der
Bundesregierung geben sollte (wovon wohl auszugehen ist).
Auch Österreichs Sozialpartnern würde es nicht schaden, über die
Form ihrer künftigen Zusammenarbeit nachzudenken. Seit Wochen schon
üben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter dem Titel
"Metaller-Lohnrunde" in öffentlicher Inszenierung. Vielleicht merken
es die Beteiligten nicht, doch der Ablauf dieses Gefeilsches
wiederholt sich alljährlich jeden Herbst, ganz wie bei einem Ritual.
Auf der einen Seite die Arbeitgeber. Sie verweisen auf schwierige
Rahmenbedingungen und Personalkosten, die gen Himmel wachsen. Um die
Verhandlungen weiter zu verkomplizieren, verhandelt die
Metallindustrie schon das zweite Mal auf sechs Fachgruppen verteilt.
Die Gewerkschafter werden von Pontius zu Pilatus geschickt. Im
Vorjahr kamen trotz dieser Ehrenrunden am Ende identische
Gehaltsabschlüsse für alle Metaller heraus.
Doch auch die Metall-Gewerkschafter, auf der anderen Seite des
Verhandlungstisches, zeigen Muskeln. Die 180.000 Mitarbeiter ihrer
Branche entsprechen zwar nur einem Zwanzigstel aller unselbstständig
Beschäftigten in Österreich. Doch der ÖGB ist in den großen
Industriebetrieben dermaßen gut durch Mitglieder vertreten, dass er
lautstark seine Stärke zur Schau stellt. In Betriebsversammlungen
wird die Stimmung angeheizt. Und ÖGB-Demos vor den Firmensitzen der
Chefverhandler auf Arbeitgeberseite bereiten den Boden auf für die
heutige vierte Lohnrunde.
100 Euro bzw. 3,4 mehr Lohn verlangt die Gewerkschaft. Zwei
Prozent und maximal 70 Euro bietet die Industrie. Auch das
Auseinanderklaffen der Forderungen ist Teil des alljährlichen
Schlagabtausches. Zumeist wird allerdings, unter Aufbietung letzter
körperlicher Reserven, ein Kompromiss gefunden, weit nach der
Geisterstund█. Erschöpfte Verhandler beider Lager verlassen dann
rauchgeschwängerte Sitzungssäle und verkünden das Ergebnis.
Die Sozialpartner haben zweifellos ihren Anteil daran, dass
Österreich wirtschaftlich und sozial ein vergleichsweise stabiles
Land ist. Jahre ohne Streik sind bei uns keine Seltenheit. Diese
Fakten sprechen für sich. Um die eigene Bedeutung zu unterstreichen,
braucht es daher kein alljährliches Lohnritual. Kollegiale
Verhandlungen, deren Ergebnisse dann der Öffentlichkeit mitgeteilt
werden, wären völlig ausreichend.
Und ein sichtbares Zeichen eines neuen Stils.
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