- 22.03.2013, 18:11:48
- /
- OTS0235 OTW0235
Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Europas Kuhhandel"
Ausgabe vom 23. März 2013
Utl.: Ausgabe vom 23. März 2013 =
Wien (OTS) - Zypern wurde 2004 als geteilte Insel in die EU
aufgenommen, weil Griechenland die europäische Bedingung einer
vorherigen Wiedervereinigung wegverhandelt hatte. Der türkische
Norden blieb draußen. 2008 kam die Euro-Einführung - ein technischer
Vorgang, Zypern erfüllte die Voraussetzungen. Damit kaufte sich die
EU in allen Institutionen allerdings die schlechte Politik des
griechischen Teils der Insel ein.
Das rächte sich jetzt, die zypriotische Regierung war in den
vergangenen Tagen mit der Situation heillos überfordert. Es ist
wieder einmal die Europäische Zentralbank, die Kurs hält. Deren
Weigerung, das Steuerparadies-Modell der dortigen Banken noch länger
zu finanzieren, brachte Bewegung in die Sache. Und war wohl auch mit
ein Grund für Russland, die heiße Kartoffel doch nicht anzugreifen.
Zu lernen gibt es viel daraus. Erstens die Tatsache, dass sich der
Preis politischer Kuhhandel erst später offenbart und dieser Preis
üblicherweise viel zu hoch ist. Zweitens, dass die EU endlich Politik
betreiben muss. Wenn sie nicht nur in Form der Zentralbank
funktionieren will, kann es in der jetzigen Situation nur eine
Forderung geben: Nach den Akut-Maßnahmen ist die Wiedervereinigung
der Insel ein Muss.
Mittlerweile muss allerdings der türkische, aber traditionell
EU-freundliche Norden der Insel wiedergewonnen werden. Wenn es Israel
schafft, sich bei der Türkei für den Tod von Aktivisten bei der
Enterung einer Gaza-Flottille zu entschuldigen, dann sollte Ähnliches
für die EU eine leichte Übung sein.
Mit Barroso, Van Rompuy und Schulz hat die EU gleich drei
Präsidenten. Einer von ihnen sollte laut und deutlich sagen, dass es
ein Fehler war, auf die Aufnahme-Bedingung der Wiedervereinigung zu
verzichten. Und dann wäre es fein vom üppig ausgestatteten
diplomatischen Dienst der EU, die Einheit der Insel zu forcieren.
So wäre es wenigstens möglich, aus dem Zypern-Schlamassel mit einer
positiven Option für die Zukunft auszusteigen. Der EU-Teil der Insel
weiß nicht recht, wie es wirtschaftlich weitergeht, wenn die
Geldwäsche/Steueroase-Idee nicht mehr funktioniert.
Nun, mit der Wiedervereinigung würde auch wirtschaftspolitisch neuer
Schwung einkehren, ganz abgesehen davon, dass es der EU gut anstehen
würde, sich auch der Türkei gegenüber von der konstruktiven Seite zu
zeigen.
www.wienerzeitung.at/leitartikel
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PWR






