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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 15. März 2013. Von Floo Weißmann. "Ohrfeige für die nationalen Granden".

Innsbruck (OTS) - Untertitel: Ein selbstbewusstes EU-Parlament wird beim Budget doch noch mitreden. Das muss es auch, wenn die Europäische Union ihr Reformversprechen einlösen will, in Zukunft demokratischer und transparenter zu funktionieren.

Das EU-Parlament hat den Staats- und Regierungschefs eine politische Ohrfeige verpasst: Mit überwältigender Mehrheit wiesen die Abgeordneten den Budgetplan der Regierenden zurück. Sie haben damit ein Signal gesetzt für ein Europa, in dem gewählte Parlamentarier bei allen Entscheidungen mitbestimmen. In dem Konflikt geht es vordergründig um die Frage, wie viel Geld die EU in den kommenden sieben Jahren für welche Aufgaben ausgeben soll. Hintergründig aber geht es darum, wie Europa in Zukunft funktionieren soll.
Der Klub der Staats- und Regierungschefs repräsentiert dabei das alte Europa, in dem Nationalstaaten miteinander ringen. Gipfel für Gipfel haben die nationalen Granden alle wichtigen Entscheidungen nächtens im Hinterzimmer unter sich ausgemacht. Das Ergebnis verkauften sie dann mit dunklen Ringen unter den Augen als Segen für alle Europäer, während Oppositionspolitiker und Medien zuhause stets zu wissen glaubten, welches Land auf dem politischen Basar gewonnen oder verloren hätte. Mit Demokratie, Transparenz oder europäischem Geist hatte das wenig zu tun.
Das EU-Parlament hingegen repräsentiert das neue Europa. Hier sitzen die Abgeordneten, die die Bürger direkt für europäische Entscheidungen gewählt haben. Sie veranstalten öffentliche Debatten und Abstimmungen. Und sie organisieren sich über Ländergrenzen hinweg in Fraktionen, die folglich nicht mit dem nationalen, sondern mit einem gesamteuropäischen Interesse argumentieren müssen.
Deshalb hat die EU mit dem Reformvertrag von Lissabon das Parlament gestärkt - begleitet von Sonntagsreden über eine größere Bürgernähe. Doch die Staats- und Regierungschefs haben sich selbst offenbar nicht gut genug zugehört. Denn als es ans Eingemachte ging, nämlich ums Geld, da hätten sie die Entscheidung am liebsten in guter alter Manier unter sich ausgemacht und verkündeten nach ihrem Gipfel Anfang Februar vorschnell ein Endergebnis.
Es ist den EU-Abgeordneten hoch anzurechnen, dass sie die Anmaßung der nationalen Granden bestraft und die Mitsprache der europäischen Volksvertretung erzwungen haben. Die Regierenden haben die Lektion hoffentlich fürs nächste Mal gelernt. Gewiss, der Budgetkompromiss wird dadurch verzögert und noch komplizierter - und das in einer Krise, in der Handlungsfähigkeit gefragt ist. Aber eine EU, die ihre eigenen Versprechen missachtet und den eben erst gestärkten Parlamentarismus wieder dem Basar der Nationalstaaten unterordnet, die hat in Zukunft vielleicht ein noch größeres Problem.

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