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"KURIER"-Kommentar von Helmut Brandstätter "Ein Appell für Maß, Stil und Vernunft"

Wahlkämpfe sind wichtig. Argumente sollen ausgetauscht, Interessen geklärt werden. Mit Hirn bitte.

Wien (OTS) - Jetzt beginnt also die Zeit der verbalen Maßlosigkeit, der schlichten Untergriffe, der üblen Unterstellungen. Die Vanillekipferln werden weggeräumt, die Giftküchen aufgeheizt. Wahlkampf ist, und zwar neun Monate lang.
Auch wenn der Appell wahrscheinlich sinnlos ist: Die Wählerinnen und Wähler sind schon enttäuscht und verunsichert. Sie brauchen also Informationen und keine Schmutzkübel. Lasst diese in euren Parteilokalen, sonst wird die gesamte Politik darunter leiden.
Es ist schade, dass ausgerechnet ein Politiker, der erfolgreich über unsere Landesgrenzen hinaus gewirkt hat, Frank Stronach, am tiefsten in den Dreck greift. Wenn er Niederösterreich als Diktatur bezeichnet, beleidigt er zunächst alle, die einmal unter einer Diktatur gelitten haben. Und deren Familien. Da sind noch einige am Leben, die 1934 eingesperrt wurden oder 1938 fliehen mussten. Und es haben sich bei uns ehemalige DDR-Bürger eingelebt, die erzählen können, wie sie im Kommunismus verfolgt wurden. Das Wort Diktatur hat in einer innenpolitischen Debatte im Österreich des Jahres 2013 nichts verloren.
Dasselbe gilt für offenen Rassismus, wie ihn kürzlich ein Wiener FPÖ-Mandatar zeigte. Wenn ein Mann Frauen vergewaltigt, gehört er in U-Haft und gerichtlich verurteilt, egal, ob Österreicher oder Türke. Aber es sind nicht "alle Türken in der Brigittenau Teil einer geschlossenen Gesellschaft von Verbrechern" wie der FPÖler meinte, der übrigens von Beruf Polizist ist. Nur weil frühere FPÖ-Politiker im Verdacht stehen, betrogen zu haben, sind nicht alle FPÖ-Mitglieder Betrüger. Oder?

Gefestigte Demokratie
Der Beginn eines langen Wahlkampfs wäre auch eine gute Gelegenheit, über das nachzudenken,was uns verbindet. Der Bürgerkrieg ist knapp achtzig Jahre her. Wie gesagt, einige erinnern sich noch daran. Aber wir haben heute gefestigte demokratische Institutionen. Wenn die beiden Regierungsparteien versprechen, sich an das Ergebnis der Volksabstimmung zum Bundesheer zu halten, dann glaubt das sogar die Opposition.
Dann wäre es halt fein, wenn man in unserem Land die allgemeinen Menschenrechte endlich außer Streit stellen könnte. "Alle Menschen sind frei und gleich an würde und Rechten geboren." Dieser Satz lässt keine Form von Rassismus zu.
Und über die Höhe von Steuern und den Beitrag der Wohlhabenden zum Allgemeinwohl kann man ja auch streiten - der Mittelstand zahlt sicherlich zu hohe Steuern, siehe kalte Progression - aber grundsätzlich sollte schon klar sein, dass diejenigen, die mehr haben, auch mehr geben. Wenn sich der französische Schauspieler Depardieu als Propagandawurstel an den russischen Staatschef Putin verkauft, ist das nur noch peinlich. Wer eine Gesellschaft wie die russische will, wer den Tschetschenen-Präsidenten Kadyrow abbusseln will, sollte still und leise dorthin übersiedeln. Wir sollten hier die Werte leben, die sich bewährt haben.

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