Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 10. Oktober 2012. Von NINA WERLBERGER. "Europas Budgetlöcherstopf-Steuer".
Innsbruck (OTS) - Untertitel: Die neue Finanztransaktionssteuer wird in elf EU-Staaten Geld in leere Staatskassen spülen. Mehr nicht. Gefährliche Zockereien und zukünftige Krisen wird sie nicht verhindern. Österreich könnte sie mehr kosten als nützen.
Sie kommt in der Kleinspur-Variante, aber sie kommt: Elf EU-Staaten wollen eine Finanztransaktionssteuer auf Schiene bringen. Vorne dabei: Österreich. Die neue Steuer auf Börsengeschäfte soll den Staaten Einnahmen in Milliardenhöhe bringen und Spekulation eindämmen. Das klingt für Politiker aller Couleur nach einer Win-win-Situation: Die verhassten Zocker werden endlich geschröpft, nachdem sie die Finanzkrise verschuldet und danach gleich weitergemacht haben wie zuvor. Gleichzeitig kommt Geld in die leeren Staatskassen, das man zur Abwechslung einmal nicht den Bürgern abnehmen muss. Ideal.
Tatsächlich aber ist zu befürchten, dass die Kosten der Finanztransaktionssteuer höher sein könnten als ihr Nutzen. Finanzjongleure können in der globalisierten Welt blitzschnell von einem Börsenplatz auf den nächsten wechseln. Die unliebsamen Wettgeschäfte verlagern sich, sie hören nicht einfach auf. Konsequenz: Österreich und anderen entsteht ein Wettbewerbsnachteil. Investoren wandern ab und gezockt wird künftig dort, wo weniger kontrolliert wird. Die Briten haben Recht mit ihrem Einwand, dass eine Börsensteuer nur dann etwas bringt, wenn alle mitmachen - also auch die Wall Street und die Börsenplätze in Asien.
Das freilich ist eine Illusion. Bleibt also das Argument, dass eine solche Steuer neue Krisen verhindern hilft. Experten bezweifeln, dass Börsensteuern die US-Immobilienblase als einen der Auslöser der Finanzkrise oder die Schuldenprobleme verhindert hätten. Blasen haben immer mehrere Ursachen - die giftigen Finanzpapiere waren nur eine. Auch billiges Zentralbanken-Geld, Immo-Euphorie und unbändiger Wachstumsglaube halfen mit.
Bleibt das primäre Ziel der Steuer: die Einnahmen für die Staaten. Österreich rechnet mit 1,5 Mrd. Euro bis 2016. Dabei steht noch gar nicht fest, ob Kassenhüterin Maria Fekter dieses Geld für ihr Budget verwenden kann. Nach früheren Plänen sollten sich Staaten und die EU den Geldsegen teilen. Um die Dimension zu skizzieren: Würden alle EU-Staaten mitmachen, brächte die Steuer 57 Mrd. Euro pro Jahr. Das ist gerade ein Drittel dessen, was allein die Griechenland-Hilfe kostet.
Dies alles ist kein Plädoyer dafür, die Finanzmärkte schrankenlos gewähren zu lassen. Vielmehr gilt es, genauer hin- und einzusehen, dass die Finanzwirtschaft die Politik bestimmt, und nicht - wie es sein müsste - umgekehrt. Wer das erkennt, wird Antworten finden. Eine Finanztransaktionssteuer allein wird bestehende und künftige Krisen nicht lösen.
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