• 13.09.2012, 12:45:42
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"dok.film"-Premiere am 16. September über Wiener Grundsteingasse: ein Großstadtdorf mit Seltenheitswert

Am Sonntag um 23.05 Uhr in ORF 2

Utl.: Am Sonntag um 23.05 Uhr in ORF 2=

Wien (OTS) - Ein einzigartiger Mikrokosmos ist in Gefahr! Die
Grundsteingasse im 16. Wiener Gemeindebezirk, wo sich vor 50 Jahren
noch ein Varieté ans andere reihte und wo heute dank Europas längstem
Straßenmarkt, dem Brunnenmarkt mit seinem orientalischen Flair, und
dank versteckter Galerien und Studios noch eine bunte
Multi-Kulti-Kunst- und -Subkulturszene lebendig ist, droht,
Immobilienspekulationen zum Opfer zu fallen. In der Dokumentation
"Ein Dorf in der Großstadt - Die Grundsteingasse in Wien-Ottakring",
die am Sonntag, dem 16. September 2012, um 23.05 Uhr in ORF 2
Premiere feiert, dringt Filmemacher Martin Betz tief in den Geist
einer Gasse ein, die es in dieser Form bald nicht mehr geben wird.

Auf den ersten Blick erscheint die Filmheldin unscheinbar: nicht mehr
ganz frisch die Fassade, manchmal einfach nur müde und grau. Doch
fast jeden Nachmittag hüllt sich die Grundsteingasse in
atemberaubendes Licht, das sie exakt von West nach Ost durchflutet.
Dann werden auch manche ihrer Geheimnisse sichtbar: Sie ist tief
geprägt von ihren Bewohnern und deren Geschichten, von der Geschichte
und deren Verdrängung, von Schnapsideen und Improvisationskunst. So
öffnet einmal im Jahr das skurrile Theaterprojekt "Mimamusch" seine
Pforten auf dem Fabriksgelände des Ragnarhofs, wo auch schon u. a.
Hollywoodstar Tilda Swinton vorbeischaute.

Mehr zum Inhalt:

Die Wiener Grundsteingasse ist geprägt von großer kultureller
Vielfalt: Türkische Zuwanderer leben neben alteingesessenen Wienern,
daneben existiert eine bunte Kunst- und Subkulturszene, die in
versteckten kleinen Galerien und Studios kreativ wirkt. Da ist zum
Beispiel Arno, der Lebenskünstler, Pionier der hiesigen Kunstszene.
"Hier gibt es keine Zensur und keine Lizenz", betont der Galerist.
Maler Paul Roza wohnt gleich gegenüber, noch immer in dem Haus, in
dem er aufgewachsen ist. Bis heute kann er den Geruch des zerbombten
Mauerwerks in der Grundsteingasse nicht vergessen, der sich als Kind
so tief in die Sinne gebrannt hat. Von hier aus schaffte es Roza bis
zu einer Karriere als Zeichner bei Disney in der Nähe von Hollywood -
und wieder zurück. Paul und Arno gehen zum Spontankonzert, das
Sängerin Babsi Bandi für ein nahegelegenes Gürtel-Lokal ausruft. Die
wilde Babsi, die kennt man in der Grundsteingasse, denn sie prescht
hier gern mit ihrem auffrisierten Mustang durch. Nur wenn sie mit
ihrer klaren, durchdringenden Stimme singt, lässt ihr Gesicht etwas
von der Melancholie ahnen, die Babsi begleitet.

Auch in der Grundsteingasse ist die romantische Idee "Multikulti"
gescheitert. Wenn die Juristin Nuray Tutus-Kirdere nach der Arbeit im
1. Bezirk ihren Bruder, den Gemüsehändler, auf dem Brunnenmarkt im
16. besucht, geht auch die Subkultur-Bohème aus der Nachbarschaft
gleichgültig vorbei. Dabei könnte sie diese Geschichte interessieren:
Nuray ist hier aufgewachsen, ihre Mutter ist Analphabetin. Nuray "hat
es geschafft", heißt es. Doch Weggehen aus der "Grundstein", das
kommt für sie nicht infrage. Früher als Kind hätten sie die
Alt-Wiener Nachbarn noch eingeladen und ihr Süßigkeiten zugesteckt,
doch heute, so bestätigt auch Keramik-Künstlerin Hedwig Rotter, sei
alles nur mehr ein "friedliches Nebeneinanderher".

Einmal im Jahr, im Oktober, stolpern Uneingeweihte "aus der Stadt"
durch ein nischen- und schwellenreiches Fabrikgebäude in der
Grundsteingasse, den Ragnarhof. "Mimamusch" lädt hier zu einer Art
Varietétheater: hinter jeder Ecke ein Bühnenspiel, vom Dachatelier
bis in den Keller. Ganz wie in alten Zeiten und doch von der
Gleichzeitigkeit der Internet-Epoche geprägt. Maitre Don Monaco vulgo
Donald Padel erkannte das Potenzial des Ortes und der Szene und
etablierte ein entfesseltes Strategie-Theater, das auch schon
Hollywood-Schauspielerin Tilda Swinton besuchte.

Inzwischen erkennen auch andere die Attraktivität der Gegend - auf
ihre Art. Überall rund um den Yppenplatz wird renoviert, entstehen
Dachausbauten und immer neue Lokale. Auch die Grundsteingasse soll
jetzt "schick" werden. Frau Schönfelder spürt das als eine der
Ersten. Ihr Friseurgeschäft soll umziehen, das Haus wird gebraucht.
Frau Schönfelder, die hier jeden kennt und manche schneidet, nimmt's
gelassen. Doch Arno, der Galerist, rettet den 50 Jahre alten
Friseursessel, auf dem er viele Stunden seines Lebens verbracht hat.
"Auf dem wurde mir die Klinge angesetzt. Und jetzt bin ich scharf auf
ihn" - spricht's und wandert mit einem riesigen Sessel über dem Kopf
durch eine Gasse davon.

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