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"Die Presse"-Leitartikel: E-m@il für den Diktator: Banal, zynisch, todernst , von Thomas Seifert
Ausgabe vom 16.03.2012
Wien (OTS) - Das elektronische Postfach des Diktators von Damaskus
wurde gehackt: Es enthält höchst brisante, lächerlich triviale und
menschenverachtende Botschaften.
Es ist ein ziemlicher Scoop, der der britischen Zeitung "The
Guardian" da gelungen ist: Der Zeitung sollen 3000 private E-Mails
aus den elektronischen Postfächern des syrischen Präsidenten Bashar
al-Assad und seiner Frau Asma zugespielt worden sein. Wenn die
E-Mails authentisch sind - der "Guardian" gilt als seriöses Medium
und die Redaktion beteuert, die Echtheit der E-Mails sei ziemlich
abgesichert -, dann geben sie einen interessanten Einblick in die
Geisteswelt der Familie Assad. Sollten sich die E-Mails als Fälschung
herausstellen, dann hat der "Guardian" freilich ein ähnliches Problem
wie das Magazin "Stern" 1983 mit der Veröffentlichung der gefälschten
Hitler-Tagebücher - daher räumt der "Guardian" wiederum ein, dass man
nicht mit endgültiger Sicherheit bestätigen könne, dass die Mails
tatsächlich echt sind.
Schon im März 2011 soll ein Insider die privaten E-Mail-Adressen und
Passwörter von Bashar al-Assad (sam@alshahba.com) und Asma Assad
(ak@alshahba.com) weitergegeben haben. Über Monate konnte die
Opposition "mithören". Gerüchte, dass die Mail-Server des innersten
Zirkels des Assad-Clans angeblich gehackt worden seien, zirkulieren
bereits seit einiger Zeit im Internet. Anfang dieses Jahres stellte
dann ein saudischer Hacker ein Ultimatum an Assad: Entweder das Töten
im Homs, Daraa und Hama höre auf, oder er werde die privaten E-Mails
der Familie veröffentlichen. Etwa zur selben Zeit veröffentlichte die
israelische Zeitung "Haaretz" den E-Mail-Verkehr aus dem syrischen
Präsidentenamt, der angeblich von der Hackergruppe "Anonymous"
gehackt wurde. Unmittelbar nach diesen Episoden soll der
Nachrichtenstrom versiegt sein, die Assads waren offenbar nun
gewarnt.
Das Postfach des Diktators von Damaskus enthält höchst brisante,
lächerlich triviale und todernste E-Mails: So hat Assad angeblich Rat
im Iran einholen lassen, wie er am besten dem Aufstand begegnen
könne. Er hat die eigenen angekündigten Reformen und Zugeständnisse
schnoddrig als "unnütze Gesetze zu Parteien, Wahlen, Medien" abgetan.
Eine Tochter des Emirs von Katar - sie ist eine Freundin von Asma
al-Assad - beschwört die Frau Assads, ins Exil zu gehen: "Ganz
ehrlich, angesichts der Weltlage und der letzten Eskalationen gibt es
doch nur zwei Möglichkeiten: Machthaber, die abtreten und politisches
Asyl bekommen - oder Machthaber, die brutal angegriffen werden."
Dass Assad einen Link zu einem YouTube-Video weiterleitet, das zeigt,
wie die Belagerung von Homs mit einem Spielzeugauto und einem Stapel
Kekse nachgespielt wird, . . . - nun ja.
Interessant ist, dass er sich via Mail Informationen aus einem
Netzwerk von Getreuen direkt zutragen lässt - an den offiziellen
Kanälen der staatlichen Geheimdienste vorbei. Kopiert er die
Überlebensstrategie von Hafez al-Assad? Schon Bashars Vater sicherte
sich auf diese Weise ab - so konnte er verschiedene
Interessengruppen, diverse Fraktionen in Militär und Geheimdienst
gegeneinander ausspielen und dafür sorgen, dass keine Seite stark und
einflussreich genug wird, um ihm gefährlich zu werden.
Der Propagandawert der jüngsten Veröffentlichung für die Opposition
ist fraglich: Aus den Mail-Puzzlesteinen ergibt sich nämlich nicht
das Mosaikbild eines Monsters, sondern eines Mannes, der im
Apple-iTunes-Store Musik und Apps einkauft und nicht darauf vergisst,
seiner Frau nette Komplimente zu machen, indem er ihr einen Song von
Blake Shelton schickt: "Cos God gave me you for the ups and downs".
Das Bild dieses Mannes mit den Horrorbildern der Gräuel von Homs in
Einklang zu bringen, für die Assad direkt Verantwortung trägt, fällt
beim Lesen des Songtextes schwer. Die Frage nach dem Cui bono
unterstützt somit eher die These der Echtheit der E-Mails.
Die Politikwissenschaftler Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith
erklären im höchst interessanten Buch "The Dictator's Handbook" die
oberste Maxime von Diktatoren, Autokraten und Tyrannen: "An die Macht
zu kommen, an der Macht zu bleiben und - so gut es geht - Reichtümer
zu häufen." Genau das ist das Ziel Assads.
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