• 13.01.2012, 16:22:39
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Verräterisches Abwarten"

Ausgabe vom 14. Jänner 2012

Wien (OTS) - Seit 2003 gibt es die Empfehlungen des Europarates
zur Kontrolle von Parteienfinanzen und den strafrechtlichen Umgang
mit Korruption. Nun gibt es harsche Kritik des Rates an Österreich:
Nichts davon sei umgesetzt worden, obwohl es schon im Juni 2011 eine
deutliche Warnung gegeben hat. Wie immer bei scharfer Kritik von
außen verfällt die heimische Politik in Aktionismus, gepaart mit dem
Wegschieben der Verantwortung: Das Parlament sei am Zug, so die
Regierung. Und Nationalratspräsidentin Prammer kündigte an, dass im
ersten Halbjahr "Nägel mit Köpfen" gemacht werden. Toll. Seit 2003
sind eh erst neun Jahre vergangen...

Hinter einem so langen Zuwarten steckt natürlich System, jede andere
Begründung wäre naiv. Die heimischen Parteien müssen immer noch keine
ordentliche Buchhaltung führen, Landes- und Teilorganisationen sind
im vorhandenen "Rechenschaftsbericht" überhaupt ausgeklammert. Was
Korruption ist und was nicht, kann bis zur Unkenntlichkeit
interpretiert werden. Die Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind nicht
lückenlos geregelt, und die dazugehörigen
Veröffentlichungs-Vorschriften sind eher das Gegenteil von
Publizität. Ein unabhängiges Aufsichtsgremium dafür gibt es gar
nicht.

Während dieselben Abgeordneten im Parlament recht forsch Steuer- und
Bilanzierungsgesetze verabschieden und das Unternehmens-Strafrecht
verschärften, gelten für sie recht zahme Regelungen. Was zu tun wäre,
wissen die Abgeordneten seit 2003 - nachzulesen auf der Homepage des
Europarates.

Erstaunlich ist zudem, dass dies alles bisher durchging - auch wir in
den Medien haben insgesamt zu wenig Augenmerk darauf gelegt. Vor
sieben Monaten hat die Regierung ein "Transparenzpaket" angekündigt -
bei Korruptions-Bestimmungen und Parteienfinanzierung tat sich
seither nichts.

Warum der Nationalrat nun noch weitere sechs Monate für das Gesetz
braucht, ist vollends unklar: Die Empfehlungen des Europarates sind
klug, vom Justizministerium gibt es Anwendungs-Vorschläge. Sie
umzusetzen ist eine Frage von Wochen, nicht Monaten. Dass es bei den
Parteifinanzen einiges zu verbergen gibt, rufen die Spatzen vom Dach.
Die Abgeordneten würden der Demokratie, der sie ihren Job verdanken,
einen guten Dienst erweisen, wenn sie jetzt und selbst mit dem
Aufräumen beginnen würden.

www.wienerzeitung.at/leitartikel

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Wiener Zeitung
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Tel.: +43 1 206 99-474
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