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DER STANDARD-Kommentar "Rechter Gleichklang" von Alexandra Föderl-Schmid

"Wie zur Wende- und Waldheimzeit: Journalisten gelten wieder als Nestbeschmutzer" - Ausgabe 18.6.2011

wien (OTS) - Die NS-Vergangenheit ist ein österreichisches Thema und darf nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen diskutiert werden. Ob Adolf Hitler noch in der einen oder anderen Gemeinde Ehrenbürger ist, geht im Ausland niemanden etwas an. Das ist die Meinung des Vizekanzlers und Außenministers dieser Republik, die Michael Spindelegger im Parlament zum Ausdruck gebracht hat: "Diskussionen dieser Art gehören nach Österreich. Ich bitte Sie aber auch darum, dass wir nicht versuchen, über internationale Medien Österreich wirklich in seinem Ansehen zu schaden." Applaus gab es dazu von den Abgeordneten der ÖVP und FPÖ.
Wer als Journalist im Ausland einen FPÖ-Politiker aus aktuellem Anlass nach dem Umgang seiner Partei mit der NS-Vergangenheit fragt, übt nicht etwa seinen Beruf aus, sondern beschädigt das Ansehen seines Landes.
Wer so spricht, baut Koalitionen. Spindelegger wiederholte zwar nicht den Begriff "Nestbeschmutzer". So hatte einige Tage zuvor FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im EU-Parlament in Straßburg Journalisten bezeichnet, die bei einer Pressekonferenz Straches mit Frankreichs Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen die Frage nach den Ehrenbürgerschaften gestellt hatten. Aber der ÖVP-Chef widersprach im Parlament auch nicht der Einschätzung des FPÖ-Abgeordneten Harald Vilimsky, dass dabei "das Ansehen Österreichs beschmutzt" worden sei.

Vergangenheitsaufarbeitung und Meinungs- und Pressefreiheit sollen nur eingeschränkt gelten. Das Ansehen des Landes steht über allem, dem müssen sich alle unterordnen. Unangenehme Fragen dürfen nur im Inland gestellt werden. Damit außerhalb niemand mitbekommt, dass Hitler noch immer Ehrenbürger in Österreich ist.
Die Wortwahl erinnert an das Jahr 2000 nach Bildung der schwarz-blauen Regierung. Journalisten, Schriftsteller und Vertreter der Oppositionsparteien wurden zu einem "nationalen Schulterschluss" gegen die Sanktionen aufgefordert. Damals wurden alle in die Verteidigungspflicht genommen. Wer sich nicht daran hielt, galt als Nestbeschmutzer oder Vaterlandsverräter. Der spätere Vizekanzler Hubert Gorbach rief dazu auf, "Nestbeschmutzer mundtot zu machen sowie alle Österreich-Vernaderer zu beschämen". Jörg Haider wollte kritische Journalisten gar wegen Landesverrats einsperren lassen. Die Strafbestimmungen gegen Journalisten wurden unter Schwarz-Blau verschärft. Schriftsteller, die sich im Ausland kritisch über die ÖVP-FPÖ-Koalition äußerten, wurden als sozialistische Staatskünstler diffamiert. Auf die Zuerkennung des Nobelpreises an Elfriede Jelinek reagierte die FPÖ mit der Feststellung, dass diese doch "Österreich seit Jahren in den Dreck zieht".
Während der Kandidatur von Kurt Waldheim war 1986 von einer "Schmutzkampagne" der Medien die Rede. Der Psychiater Erwin Ringel schrieb damals im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel, warum Waldheim eine Identifikationsfigur für viele Österreicher ist: "Deren Vergangenheitsbewältigung heißt seit langem Verleumdung und Vergessen der eigenen Beteiligung. Sie wollen Opfer gewesen sein, keinesfalls Täter. Flink werden die Wahrheitssucher zu Nestbeschmutzern degradiert."
Das gilt nach wie vor. Und die FPÖ will auf ihrem Parteitag am Wochenende zurück zu ihren Wurzeln und ihr Profil schärfen. Die ÖVP hilft ihr dabei.

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