• 11.04.2011, 11:36:54
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Jank und Leitl fordern Absicherung des Fachkräfteangebots

Jank fordert verpflichtenden "Berufsorientierungspass" und neues Unterrichtsfach - Leitl will neue Weiterbildungsanreize für längere Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer

Wien (OTS) - Wie erfolgreich sich eine Volkswirtschaft entwickelt,
hängt zu einem guten Teil von der Verfügbarkeit bestens
qualifizierter Fachkräften ab. Eben diese sind immer weniger in
ausreichender Zahl vorhanden - insbesondere in Wien. Denn immer
weniger Jugendliche entscheiden sich für einen Lehrberuf und ziehen
eine schulische Ausbildung vor - der Wirtschaft kommen damit jedes
Jahr tausende Fachkräfte abhanden, die dringend gebraucht werden.
Neue Anreize braucht es aber auch zur kontinuierlichen Weiterbildung
älterer Arbeitnehmer, um deren Beschäftigungsfähigkeit erhalten zu
können. Wirtschaftskammer Wien-Präsidentin Brigitte Jank und
Wirtschaftskammer Österreich-Präsident Christoph Leitl warnen daher
vor einem weiteren Zuwarten der Politik und fordern konkrete
Maßnahmen, die das Fachkräfteangebot für Unternehmen langfristig
absichern.****

3.000 offene Lehrstellen in Wien
Zur Zeit (Ende März 2011) stehen in Wien rund 18.500 Lehrlinge in
Ausbildung. Vor 25 Jahren waren es noch fast 27.000. Der
wesentlichste Grund für diesen drastischen Rückgang: "Anfang der
1990er Jahre haben sich 45 Prozent der Wiener Jugendlichen für einen
Lehrberuf entschieden, heute sind es gerade einmal 30 Prozent", sagt
Jank. Es werde daher immer schwerer, offene Lehrstellen zu besetzen
und eine ausreichende Zahl an Fachkräften auszubilden. Laut aktueller
Auswertung des AMS sind zur Zeit in Wien über 3.000 Lehrstellenplätze
sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar - um 25 Prozent
mehr als vor einem Jahr. Dem stehen rund 2.200 Lehrstellensuchende
gegenüber. Das ergibt ein Lehrstellenüberangebot von mehr als 800.
Das Interesse der Wirtschaft an Fachkräften ist also groß.
"Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich immer mehr
Jugendliche gegen eine Lehrausbildung und für eine weiterführende
Schule entscheiden. Der Wirtschaft fehlen durch diese demographische
und bildungspolitische Entwicklung tausende Fachkräfte, die für eine
stabile Entwicklung unserer Wirtschaftskraft notwendig sind", warnt
Leitl.

Berufsorientierung muss Schwerpunktthema werden
Negativ wirkt auch die zunehmende Verschlechterung der
Basisqualifikationen der Pflichtschulabsolventen, die durch
PISA-Tests und die täglichen Berichte der Unternehmen hinlänglich
bestätigt ist. In den Pflichtschulen gibt es aber nicht nur einen
großen Aufholbedarf bei der Vermittlung der notwendigen Kompetenzen
in den Bereichen Rechnen, Lesen und Schreiben. "Ganz besonderes
Augenmerk muss die Bildungspolitik in den nächsten Jahren auf die
Berufsorientierung legen", fordert Jank, die hierzu einen
verpflichtenden "Berufsorientierungspass" verlangt. "Bildungs- und
Berufsorientierung muss ab der 7. Schulstufe in allen Schulen ein
Schwerpunktthema sein - und zwar als eignes, verpflichtendes Fach",
fordert Jank.

Mit Hilfe des "Berufsorientierungspasses" sollen für jeden einzelnen
Schüler die konkreten Maßnahmen im Bereich der Berufsorientierung
dokumentiert werden und offene ToDos sichtbar werden. Ein solcher
Pass würde den Jugendlichen auch bei Bewerbungsgesprächen helfen, so
Jank. Als Beispiele für konkrete Maßnahmen nennt Jank die
Durchführung von rechnergestützten Talente-Checks, wie diese seit
Jahren im Berufsinformationszentrum der Wiener Wirtschaft (BIWI) am
Währinger Gürtel angewendet werden, oder Kooperationen von Schulen
mit Unternehmen, um den Jugendlichen Einblicke in den praktischen
Alltag bestimmter Berufe zu geben.

Gesellschaftliche Vorurteile bremsen den Zustrom zur Lehre
"Die Lehre ist heute mehr als je zuvor eine hoch qualifizierte und
anspruchsvolle Ausbildung, die von den Jugendlichen viel persönlichen
Einsatz und intellektuelles Engagement voraussetzt", sagt Jank. Eben
dies sei im Bewusstsein der Bevölkerung alles andere als verankert -
zu oft werde die Lehre immer noch als Rest-Ausbildung für jene
angesehen, die für eine weiterführende schulische Ausbildung nicht
geeignet sind. "Das Gegengift gegen diese schädlichen Vorurteile
heißt Berufsorientierung in den Schulen!", sagt Jank. Denn
Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren befinden sich in einer höchst
sensiblen Lebensphase und müssen sich just in dieser Zeit auch noch
für einen Beruf entscheiden, den sie mitunter jahrzehntelang ausüben
sollen - noch dazu ohne Vorkenntnisse über das wirkliche Arbeitsleben
und die Anforderungen der Wirtschaft. "Manch ein Jugendlicher ist
bereits in diesem Alter selbstständig genug, um das alles alleine zu
schaffen. Doch das sind Ausnahmen, die meisten sind es nicht", sagt
Jank. "Der Staat hat die klare Verpflichtung gegenüber den
Jugendlichen, nicht nur für ausreichende Kenntnisse in den
Kulturtechniken zu sorgen, sondern auch für eine umfassende
Unterstützung bei der Suche nach der richtigen beruflichen
Entwicklungsmöglichkeit, die in jedem einzelnen Fall eine andere
ist."

Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr
WKÖ-Präsident Leitl betont in diesem Zusammenhang, dass es auch
Aufgabe der Politik sei, die nötigen Maßnahmen zu setzen um Talente
und Potentiale aller Jugendlichen zu erkennen und zu fördern, sodass
niemand systemisch auf der Strecke bleibe. Leitl: "Dafür brauchen wir
künftig eine standardisierte Kompetenzfeststellungen, verpflichtende
Berufsorientierung und Information, zur besseren Vergleichbarkeit von
Schulabschlüssen einheitliche Bildungsstandards sowie eine
Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr - entweder in Form der
Lehrlingsausbildung oder vollschulisch." Neue Anreize brauche es aber
auch bei der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer, um deren
Beschäftigungsfähigkeit erhalten zu können. Leitl: "Je älter die
Arbeitnehmer, desto seltener bilden sie sich weiter. Im Vergleich mit
einem Fußballmatch heißt das: anstelle besonderer Bemühungen in der
Rapid-Viertelstunde stellen die Spieler im letzten Spielabschnitt
alle Bemühungen ein, ein Match zu gewinnen." Diesbezüglich müssen
Abschlüsse, die außerhalb des Schulsystems - etwa beim WIFI -
erworben werden, bei vergleichbaren Inhalten den schulischen bzw.
akademischen Abschlüssen gleichgestellt werden. Ebenso sollten die
finanziellen Anreize für Weiterbildung ausgebaut werden - etwa durch
die Einrichtung eines allgemeinen Bildungskontos mit staatlicher
Prämie analog zum Bausparen. Weiters ist die Erhöhung des
Bildungsfreibetrags für ältere Arbeitnehmer und die Ausdehnung des
Bildungsfreibetrags auf Unternehmer nötig.

Wenig Wirtschaft in der Schule, aber zahlreiche private Initiativen
Eine bessere Vorbereitung der Schüler wünschen sich Leitl und Jank
auch in der Frage des Wirtschaftswissens, das in der Schul- und
Lehrerausbildung immer noch keinen sichtbaren Stellenwert hat. Denn
Schüler kommen mit dem Thema Wirtschaft in der Schule praktisch nicht
in Berührung. Für die Vorbereitung auf das Arbeitsleben und für das
Interesse am Unternehmertum als Entwicklungsperspektive ist dieser
Zustand dramatisch. Dass das Interesse der Jugendlichen aber groß
wäre, zeigen die zahlreichen privaten Initiativen, die Schüler mit
dem Thema Wirtschaft höchst erfolgreich in Verbindung bringen - etwa
die Kinder-Business-Week, das Projekt Junior, der von der WKÖ
entwickelte Unternehmerführerschein, das Commercial Competence
Certificate, die Projekte Leonardino und Galilea, der Wiener
Töchtertag, Yo tech! oder auch die Wanderausstellung High Heels, die
allesamt von der Wirtschaftskammer unterstützt werden. "Von diesen
privaten Initiativen kann auch die österreichische Bildungspolitik
lernen und Maßnahmen für den täglichen Einsatz in der Schule
entwickeln", sagt Leitl.

Rückfragehinweis:

Wirtschaftskammer Wien 
   Dr. Gary Pippan
   Presse & Medienmanagement
   Tel.: 01 51450-1314
   mailto:gary.pippan@wkw.at
   http://www.wko.at/wien

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