• 17.02.2011, 12:56:29
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Jarolim: Reparatur des Anti-Terror-Paragraphen dringend erforderlich

Unabhängiger Bundesstaatsanwalt wäre Garant für die Rechtsstaatlichkeit

Wien (OTS/SK) - Kritik an der Justizpolitik, am sogenannten
Tierschützer-Prozess und die Forderung nach rascher Reparatur des
unpräzisen Par. 278, der für die Bekämpfung von Terrorismus und
organisierter Kriminalität gedacht war, waren Anlass der gemeinsamen
Pressekonferenz am Donnerstag von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim
und Univ.Prof. Bernd Christian Funk. "Sieht man sich die
Justizpolitik an, dann fällt auf, dass dort, wo Leuchttürme stehen
sollten, Stopptafeln stehen, dort, wo Aufklärung sein sollte,
herrscht Repression und dort, wo Zukunft sein sollte, beginnt
Vergangenheit", so Jarolim, der die Frage in den Raum stellte, ob die
Justizministerin noch Garant der Rechtsstaatlichkeit sei, oder
teilweise zu einer "Außenstelle des Innenministeriums" wurde? Jarolim
betonte weiters, dass "ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt dafür
sorgen würde, dass bundesweit bei Verfahren in einheitlicher Art und
Weise mit gesetzlichen Normen umgegangen wird". ****

Der SPÖ-Justizsprecher erläutert, dass im Verfahren gegen die
Tierschützer essentielle Verteidigungsrechte ausgehebelt würden. Etwa
wurde das Fragerecht des Verteidigers, "eine der ganz zentralen
Normen des Rechtsstaates", beschnitten. Hier stelle sich schon die
Frage, "ob das die Objektivität ist, die man sich in einem
Rechtsstaat erwartet".

Kritik gab es vonseiten Jarolims auch daran, dass ein Vertreter der
Richterschaft eine strafrechtliche Verfolgung einer Linzer
Universitätsprofessorin angeregt hat, die einen kritischen Aufsatz
über die Verfahrensführung des Tierschützerprozesses verfasst hatte.
Es stelle sich die Frage danach, ob ein Diskurs über
Rechtsstaatlichkeit überhaupt gewünscht wird und es stelle sich die
Frage nach der Abgehobenheit der Justiz. "Daran ändert auch der
Umstand nichts, dass die gewünschte Überprüfung durch die zuständige
Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestellt wurde", betonte Jarolim.

Der SPÖ-Justizsprecher verwies auch auf die enormen Kosten des
Verfahrens. Allein für die Verteidigung ist ein Aufwand von
inzwischen etwa 245.000 Euro entstanden. Dazu kämen noch die Kosten
für psychologische Betreuung und für die gesamte Ermittlung. Man
komme auf eine erkleckliche Summe, die jedenfalls in keinem
Verhältnis zum Unrechtsgehalt der in der Verhandlung zur Klärung
stehenden Tat stünde. Eine entsprechend straffe Prozessführung sei
daher notwendig. "Es geht nicht an, dass in Fällen möglicher
überzogener Tierschutzmaßnahmen gleich umfassend wie bei schwer
mafiöser Verdachtslage vorgegangen wird."

Univ.Prof. Funk konstatiert, dass es Schwachstellen im Justizsystem
gebe, "sie sind unübersehbar, sie sind zahlreich und sie sind auch
gravierend". Die Par. 278, 278a und 278b sind reparaturbedürftig,
"aber damit nicht genug, es ist auch die Anwendungspraxis
änderungsbedürftig". Es gebe zu unbestimmte und damit zu weitgehende
Regelungen, die zu einem "archaischen Strafrecht, eines modernen
Rechtstaates nicht würdig" führen würden. Faktisch komme es in der
Praxis zu einer Umkehrung der Beweislast und auch "zu einer Umkehrung
der Verfahrenslogik". War es bisher so, dass man ermittelt und
schaut, was man hat und dann anklagt, so wäre jetzt zu beobachten,
dass man erst anklagt und dann schaut, was man findet. "Das ist für
eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege verheerend, das geht an die
Grundlagen, das geht an die Wurzeln", so Funk, der auch eine zu
starke Allianz zwischen Richter und Ankläger im österreichischen
Strafrechtssystem ortet und sich eine neutralere Position des
Richters wünschen würde. Auch Funk schlägt, wie die SPÖ, die
Einführung eines unabhängig agierenden, dem Parlament
verantwortlichen, Bundesstaatsanwalts als Weisungsspitze vor sowie
die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen strafjustizielle
Entscheidungen, um Verletzungen des Grundrechts auf ein faires
Verfahren geltend zu machen. (Schluss) up/bj

Rückfragehinweis:
SPÖ-Bundesorganisation, Pressedienst, Löwelstraße 18, 1014 Wien,
Tel.: 01/53427-275
http://www.spoe.at/online/page.php?P=100493

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