• 25.01.2011, 17:13:52
  • /
  • OTS0248 OTW0248

Wiener Zeitung: Ludwig Adamovich: "Der entstandene Eindruck ist fatal"

Ludwig Adamovich, Ex-Präsident des Verfassungsgerichtshofs, zur Abberufung von Generalstabschef Entacher - Von Walter Hämmerle

Wien (OTS) - "Wiener Zeitung": Im Beamtendienstrecht heißt es:
"Ich gelobe, dass ich die Gesetze der Republik Österreich befolgen
und alle mit meinem Amt verbundenen Pflichten treu und gewissenhaft
erfüllen werde." Hat der abberufene Generalstabschef Edmund Entacher
gegen diese Pflichten mit seiner Kritik an den Plänen für eine
Abschaffung der Wehrpflicht verstoßen?

Ludwig Adamovich: Ich kenne die Details des Falles nicht und
natürlich gibt es auch die Bestimmungen der allgemeinen
Dienstpflichten eines Beamten. Andererseits, und das darf man auf
keinen Fall übersehen, ist auch ein Beamter Träger von Grundrechten;
auch ihm steht das Recht auf Kritik zu, soweit diese in sachlicher
Art und Weise geäußert wird. Der Verfassungsgerichtshof hat das auch
so bestätigt.

Verteidigungsminister Norbert Darabos beruft sich darauf, dass das
Vertrauen zu seinem Generalstabschef nicht mehr gegeben war.

Ich bin dafür, diese Frage nicht über Gebühr zu verkomplizieren.
Natürlich hat ein Minister das Recht auf Mitarbeiter, denen er
vertraut. Aber ein Beamter ist in einem demokratischen Rechtsstaat
mehr als ein bloßer Befehlsempfänger. Er hat sogar die Pflicht, seine
Bedenken öffentlich zu machen, wenn ein begründeter Verdacht besteht,
dass Unrechtmäßiges geschieht. Wir leben nicht mehr in einem
Obrigkeitsstaat. Natürlich kann es aber Spannungen geben, wenn das
Vertrauen zwischen einem Minister und seinem leitenden Beamten
gestört ist. Es sollte jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass eine
öffentlich geäußerte Kritik zum Anlass genommen wird, jemanden von
seinem Amt zu entbinden. Das Recht auf sachliche Kritik muss
gewährleistet bleiben. Dass gewisse Medien hier dann von "Sabotage"
sprechen, ist wirklich schauderhaft.

War es zulässig, dass Entacher von sich aus den Weg in die Medien
angetreten ist, hätte er seine Kritik als loyaler Beamter nicht
intern formulieren müssen?

Auch Beamte haben das Recht, sich an die Medien zu wenden - so lange
sie sachlich bleiben. Dass sich Entacher damit nicht beliebt macht
und auch das Vertrauensverhältnis zu seinem Vorgesetzten beschädigt,
ist eine andere Frage. Es darf aber nicht sein, dass der Eindruck
entsteht, dass leitende Beamte den Mund halten müssen, ansonsten
haben sie Konsequenzen zu befürchten.

Ist dieser Eindruck für Sie im gegenwärtigen Fall entstanden?

Ja, der ist für mich tatsächlich entstanden.

Sie kritisieren den Verteidigungsminister, aber war aus dessen Sicht
das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich bleibend zerrüttet?

Natürlich ist auch die Reaktion des Ministers irgendwie verständlich,
es sieht ja in einem solchen Fall auch das Beamtendienstrecht die
Möglichkeit vor, den Betreffenden an anderer Stelle zu verwenden.
Aber entscheidend beim Eindruck, der in diesem Fall entstanden ist,
waren ja die Vorgeschichte und die medialen Äußerungen, die auf die
öffentliche Kritik Entachers in den letzten Tagen folgten. Dadurch
wurde dieses fatale Bild erst geschaffen. Das ist meine Kritik.
Schwarz-Weiß-Malerei ist hier nicht am Platz, weder stimmt das Bild
vom "guten Minister, bösen General" noch umgekehrt. Persönlich hätte
ich mir gewünscht, dass man einen Ausweg findet, der weniger hässlich
aussieht. Schließlich kann man dem Minister nicht das Recht auf eine
andere Dienstverwendung des Beamten absprechen.

Losgelöst vom konkreten Fall, wie beurteilen Sie das Verhältnis
zwischen Beamtenschaft und politischer Führung?

Man muss drei Dinge unterscheiden: Erstens die Loyalitätspflicht der
Beamten, die zweifellos besteht; hinzu kommt noch das Vertrauen der
Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben.
Zweitens das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, das natürlich
auch für Beamte gilt. Und drittens ein gewisses Maß an politischer
Klugheit, sich nicht mit seinen Vorgesetzten anzulegen. Aus meiner
Sicht ist es das zentrale Problem, die Grenze zu ziehen, wo diese
Klugheit in Opportunismus umschlägt. Wenn das nicht gelingt, geraten
die Fundamente des Rechtsstaats ins Wanken.

Ludwig Adamovich, geboren 1932 in Innsbruck, war von 1984 bis 2002
Präsident des Verfassungsgerichtshofes. Er berät Bundespräsident
Heinz Fischer in verfassungsrechtlichen Fragen.

Rückfragehinweis:
Wiener Zeitung
Sekretariat
Tel.: +43 1 206 99-474
mailto:redaktion@wienerzeitung.at
www.wienerzeitung.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PWR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel