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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Experten muss man sich auch leisten wollen - von Isabell Widek

Ohne Prognosen wäre unser Leben einfach nur öd und leer

Wien (OTS) - Wissenschafter sind in puncto Glaubwürdigkeit arme Schweine. "Wer bezahlt, schafft an" oder "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" sind noch die harmloseren Kommentare, die bei Wortmeldungen der Gelehrten durch viele Köpfe und Münder rauschen. Und kaum eine Berufsgruppe ist so wenig vor falschen Anschuldigungen geschützt wie die Forschung.

Einer der Hauptgründe für diese versuchten Verunglimpfungen ist die pure Verzweiflung. Denn kaum jemand versteht, wovon die jeweiligen Meister ihres Faches überhaupt sprechen - und wenn doch, dann weiß zumindest fast niemand, mit welch geheimen Hilfsmittelchen sie zu ihrer Expertise kommen.

Und doch vertrauen wir auf die veröffentlichten Daten. Sonntagsfrage, Konjunkturprognose oder Einkommensstudie: Ohne sie (und vieles andere) wäre unser Leben einfach nur öd und leer. Keine Vorhersagen zu haben, würde bedeuten, dass wir uns auf nichts einstellen können -der erste Schritt ins Chaos.

So beruhigte es im Februar dieses Jahres ungemein, als das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) - zu einer Zeit, als die Regierung Budgetkonsolidierung gerade einmal buchstabierte - einen Optionenbericht zur Sanierung des Staatshaushaltes vorlegte. Auf 167 Seiten wurde anschaulich dargestellt, wie der Staat sparen kann. Maßnahmen, die (fast) nicht wehtun und doch Einsparungen in Milliardenhöhe bringen. Was noch fehlt, ist die Realisierung durch die verantwortlichen Politiker.

Doch nicht nur mit seinen Vorschlägen kann sich das Wifo (noch) nicht durchsetzen, parallel dazu muss eines der renommiertesten Institute hierzulande - wieder einmal - um seine Finanzierung bangen. Natürlich gibt es Ausnahmen: Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer zahlen brav, das Finanzministerium erhöhte seine Zuwendungen um die doppelte Inflation, auch die Arbeiterkammer hat ihre Zahlungen nach oben korrigiert. Im Gegenzug dazu senkte die Industriellenvereinigung ihre Förderungen um mehr als die Hälfte, andere folgten. Die Forscher sind mehr denn je auf "Goldene Förderer" angewiesen: Firmen oder Privatpersonen, denen das Wifo mehr als 10.000 Euro im Jahr wert ist. Doch Hand aufs Herz, wollen wir wirklich, dass unsere Experten künftig ausschließlich auf die finanziellen Zuwendungen von Unternehmen wie Oberbank, OMV, Infineon, Siemens und Co. angewiesen sind?

Forschung soll und muss unabhängig bleiben, ohne jeden Makel. Dafür braucht es die entsprechende staatliche Unterstützung. Denn wir wünschen uns Wissenschafter, die erforschen, was erforscht werden muss und uns dann mit den Ergebnissen konfrontieren. Ob sie uns nun passen oder nicht.

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