"KURIER"-Kommentar von Christoph Kotanke: "Schluss mit dem ewigen Taktieren"
Wenn die Politik vier, fünf große Probleme nicht löst, wird sie selbst das Problem.
Wien (OTS) - Wenn es um die großen Probleme geht, sieht die
Politik mit ihrem täglichen Gezänk plötzlich ganz klein aus. Dem Pflegesystem droht in absehbarer Zukunft die Pleite, lautet die Botschaft des Rechnungshofes. Dessen Prüfer sind für ihre schonungslosen Wahrheiten bekannt und deswegen der Schrecken der Schwadroneure.
Die Zahlen sind eindeutig, der Befund ist klar: Die Lebenserwartung steigt und daher die Zahl der Senioren, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Wer auf die alten Familienstrukturen vertraut, erliegt einer Illusion. Zugekaufte Pflegeleistungen sind teuer. Durchschnittspensionisten können sich das unmöglich leisten. Der staatliche Zuschuss reicht bei Weitem nicht aus. Das ist keine ferne Zukunftsfrage, sondern bereits gelebte Realität. Daher darf hier nicht länger schöngeredet werden. Lösungen sind gefragt. Das kann ein Pflegefonds sein, wie ihn Sozialminister Hundstorfer anpeilt - doch wer zahlt? Viele Gemeinden sind überfordert, auch bei Bund und Ländern sind die Mittel knapp. Eine andere Möglichkeit ist eine Pflegeversicherung als "Volksversicherung".
Die alternde Gesellschaft ist eine zentrale Frage. Es gibt einige weitere Bereiche, die in der Alltagswirklichkeit der Bürger eine wichtige Rolle spielen, aber von der Politik wortreich weggeschoben werden.
Die gute Ausbildung der Kinder ist das Herzensanliegen aller Eltern. Auch hier liegen die Fakten vor: Trotz hoher Kosten erbringt der Schulbetrieb mittelmäßige Resultate; zu viel Steuergeld wird in die Verwaltung investiert, zu wenig landet in den Klassen.
Gestern wurde eine Ifes-Studie veröffentlicht, wonach drei Viertel der Eltern unfreiwillig als Nachhilfelehrer arbeiten. Die professionelle Nachhilfe ist zu einem Wirtschaftszweig geworden, Jahresumsatz: 126 Millionen Euro. Für AK-Präsident Tumpel ist die "alte Halbtagsschule" schuld.
Tatsache ist, dass es sogar in Ballungszentren schwierig bis unmöglich ist, eine leistbare Ganztagsbetreuung zu bekommen: Eine Hausaufgabe für die Politik, die bisher "nicht genügend" agiert. Weitere Tagesthemen sind Gerechtigkeit und Solidarität, seit die SPÖ die Grundwerte als Sinnstifter wiederentdeckt hat. Dass die Gewinne privatisiert, die Verluste hingegen sozialisiert werden, empört speziell die Mittelschicht. Das ergab eine jüngst im Spiegel veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung; für Österreich gilt das ebenso.
Das Kernproblem ist die Unfairness: Die Mittelschicht (Haushalte mit 2700 bis 7400 Euro brutto monatlich) schleppt die Hauptlast der Steuern und Abgaben, eine Entlastung bzw. Umverteilung ist nicht in Sicht.
Derzeit bestimmt taktisches Verhalten die Tagespolitik. Vor wichtigen Regionalwahlen ist das verständlich. Doch im Herbst müssen Antworten auf den Tisch - sonst werden die Politiker nicht mehr als die Lösung angesehen, sondern als das Problem.
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