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"DER STANDARD"-Kommentar: "Obama versinkt im Ölschlick" von Christoph Prantner
Dem Präsidenten droht ein ähnliches Schicksal wie Carter oder Bush junior - Ausgabe vom 17.6.2010
Wien (OTS) - Hast du das Loch schon gestopft, Daddy?" Das habe
Malia, Barack Obamas elfjährige Tochter, den US-Präsidenten beinahe
flehend gefragt, ließ das Weiße Haus unlängst verbreiten. Die
Nachricht sollte zeigen, dass der oft so distanziert wirkende Obama
die Ängste vor der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko ernst nimmt,
dass er sich um besorgte Menschen kümmert. Und der Präsident selbst
ließ danach in bisher völlig ungewohnter Sprache wissen, er wolle
herausfinden, "in welchen Hintern ich treten muss", um endlich
positive Nachrichten von der lecken Ölquelle vor New Orleans zu
bekommen.
Jetzt, nur ein paar Tage später, ist er, um in Barack Obamas
Sprachbild zu bleiben, längst selbst damit beschäftigt, seinen
eigenen Hintern politisch bedeckt zu halten. Die Ölkatastrophe könnte
nicht nur all seine politischen Ambitionen nachhaltig beschädigen,
seine gesamte Präsidentschaft droht im Ölschlick zu versinken.
"Jimmy Carters Präsidentschaft hat die mehr als ein Jahr andauernde
Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran gekillt, George W. Bushs
Präsidentschaft der Hurrikan ,Kathrina', und nun ist offenbar Obama
dran", analysiert Ronald J. Hrebenar, ein amerikanischer Politologe,
der sich dieser Tage in Wien aufhält, die Lage ein wenig salopp. Die
Amerikaner wollten einen handlungsfähigen Präsidenten sehen, der mit
allem fertig werden kann. Einen Übervater, den weder Naturgewalten
noch politische Widerstände aufhalten könnten. Diesem Wunschbild
entspreche der Amtsinhaber derzeit wohl gar nicht.
Im Gegensatz zu Carter und Bush allerdings hat Obama im aktuellen
Fall äußerst wenige Handlungsoptionen. Der Präsident ist von BP und
deren Technologie völlig abhängig. Weder zivile Kräfte noch Militär
verfügen in Amerika über das Know-how, die in der Tiefsee unablässig
sprudelnde Ölquelle zu versiegeln. Dass der Präsident nun die Spitzen
von British Petroleum antanzen lässt und ihnen einen
milliardenschweren Kompensationsfonds abnötigen will, kaschiert die
Hilflosigkeit Obamas nur notdürftig.
Wann immer das Bohrloch endgültig gestopft sein wird - und es spricht
vieles dafür, das dies erst im August der Fall sein wird - die
politischen Konsequenzen des Desasters werden so zähflüssig und
schwer zu entfernen sein wie das angespülte Rohöl an den Stränden der
Südstaaten.
Obamas Regierung hat nach den Erfolgen mit der Gesundheitsreform und
dem Start-Abkommen mit Russland wieder den Tritt verloren. Keines
der Themen wie Immigrationsreform oder Finanzmarktregulierung, die
die republikanische Fundamentalopposition in Bedrängnis bringen
könnten, hat in den kommenden Monaten eine Chance, in der
Öffentlichkeit auch nur ansatzweise wahrgenommen zu werden.
Für die Midterm-Wahlen im kommenden November könnte das fatale Folgen
haben. Ist mit dem Verlust von Ted Kennedys Sitz im Senat schon die
Filibuster-sichere Mehrheit im Senat dahin, könnte jene im
Repräsentantenhaus ebenso schwinden. Und Obama, einst der große
Hoffnungsmann der Amerikaner, wäre vollends vom guten Willen
konservativer Demokraten oder gar der Republikaner abhängig. Was
diese mit hahnebüchenen Vorwürfen wie seinem Sozialismus oder seinem
angeblichen muslimischen Glauben nicht geschafft haben, hätte BP
erledigt: Aus einem Präsidenten, der alles verändern wollte, wäre ein
Präsident geworden, der nur noch die Hände in den Schoß legen kann.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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