• 24.05.2010, 17:00:11
  • /
  • OTS0052 OTW0052

Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Kampf um Gerechtigkeit"

Ausgabe vom 25. Mai 2010

Wien (OTS) - Die SPÖ schmeißt sich mit Verve derzeit auf das Thema
"Gerechtigkeit". Für Kanzler Werner Faymann mit Erfolg, er liegt in
Umfragen erstmals deutlich vor ÖVP-Obmann und Vizekanzler Josef
Pröll. Die Mehrheit der Österreicher ist zudem für eine
"Spekulantensteuer" (wie immer die definiert wird). Wenig
erstaunlich, dass die Volkspartei nun entgegenhält: Pröll will
Steuerbetrug und Sozialmissbrauch bekämpfen. Gerechtigkeit beginnt
bei Ehrlichkeit, so sein Credo. Die Volkspartei nennt das
"Leistungsgerechtigkeit".

Wenn nun beiden Regierungsparteien dieses Thema so am Herzen liegt,
sei die Frage erlaubt: Wie konnte es so weit kommen, dass es derzeit
offenbar ungerecht zugeht in der Gesellschaft?

Nun, eine Antwort bietet die Finanz- und Wirtschaftskrise. In ihrem
Gefolge sind die Staatsschulden beunruhigend in die Höhe gegangen.
Sie müssen reduziert werden. Reduktion von Defiziten bedeutet aber
immer, dass irgendjemandem irgendetwas weggenommen wird. Bei den
Einsparungen auf Gerechtigkeit zu schauen, wäre auch eine
hervorragende Idee. Details dazu stehen aber aus.

Richtig ist wohl, dass jene Länder, die schon vor der Krise sorglos
mit den Staatsfinanzen umgegangen sind, nun umso schneller in Verruf
geraten sind. Derzeit ist die Welt bemüht, das alles irgendwie
einzufangen und die größten Unsinnigkeiten des Marktes zu beseitigen.
Leerverkäufe auf CDS sind so ein Beispiel: Für jeden normal denkenden
Menschen ist es unverständlich, dass eine Ausfallsversicherung
abgeschlossen werden kann auf Staatspapiere, die man gar nicht hat.
Für Investmentbanker ist das Geschäft einträglich - auf Kosten der
Staaten. Ein Verbot solcher Geschäfte könnte durchaus als gerecht
bezeichnet werden.

Daneben sollte es aber auch eine - nennen wir es - bürokratische
Gerechtigkeit geben. Kampf den Steuerhinterziehern ist großartig.
Gespräche mit Wirtschaftsprüfern bestätigen aber, dass die
Finanzbehörden zwar bei kleinen Unternehmen sehr genau hinschauen,
bei den Großen aber nicht mehr so kompromisslos. Auch das würde aber
zur Leistungsgerechtigkeit zählen: nicht bei Kleinunternehmen jeden
Stein umzudrehen, sondern bei jenen, die es sich leisten können,
ganze Legionen an Steuerexperten im Sold zu haben.

Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/leitartikel

Rückfragehinweis:
Wiener Zeitung
Sekretariat
Tel.: +43 1 206 99-474
mailto:redaktion@wienerzeitung.at
www.wienerzeitung.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PWR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel