- 06.05.2010, 18:00:09
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DER STANDARD-KOMMENTAR "Steuern sind besser als ihr Ruf" von Gerald John
Kürzungen à la Familienbeihilfe schaden mehr als intelligente Steuererhöhungen - Ausgabe vom 7.5.2010
Wien (OTS) - Sparen ist gut, Steuern sind böse": So lautet ein
populäres Glaubensbekenntnis in der Debatte um die Budgetmisere.
Vertreter von Wirtschaft und Industrie beten es vor, viele
Kommentatoren ebenso, populistische Oppositionelle und
Schlagzeilenmacher erst recht. Auch die ÖVP zählt zu den Überzeugten,
selbst wenn sie aus Geldnot nun von der reinen Lehre abweicht. Der
Staat, dieser notorische Verschwender, so das Credo, soll lieber bei
sich selbst sparen, statt den Steuerzahlern mitsamt den im Wettbewerb
stehenden Unternehmern Mühlsteine umzuhängen.
Neuerdings mischt sich in die Argumentation allerdings eine Portion
Schizophrenie. Auch konservative und wirtschaftsliberale Reformer
blicken nun nach Nordeuropa, wenn sie Vorbilder für ein modernes
Staatswesen suchen - dort liegen aber drei von vier Ländern in der
EU, die Bürger stärker zur Kasse bitten als Österreich. Hohe Steuern
sind deshalb noch kein Erfolgsgarant, doch das Klischee vom Gift für
die Wirtschaft lässt sich mit einem Blick in diverse Ranglisten
entkräften. Schweden, Dänemark und Finnland weisen nicht nur ein
stärkeres Wachstum auf, sie belegen auch, dass Steuereinnahmen nicht
per se vom Beamtenmoloch verschlungen werden. Die Skandinavier
erkaufen sich vielmehr ein besser ausgebautes Wohlfahrtssystem, das
in schweren Zeiten zur Stabilität beiträgt.
Natürlich verschleudern Staaten auch Geld. Doch die Wunderwaffe
Verwaltungsreform brächte, sofern sie je gebaut wird, erst nach
Jahren große Summen. Überdies produzieren Einschnitte in der Krise
Kollateralschäden. Werden ad hoc öffentliche Stellen exzessiv
gestrichen, droht steigende Jugendarbeitslosigkeit, was die
Einsparungen zum Teil vernichten würde. Ähnliches gilt für das an
sich sinnvolle Aus der Hacklerfrühpension.
Regierungen, die kurzfristig Geld brauchen, landen deshalb schnell
bei disponiblen Sozialleistungen. So auch diesmal: Wenn die Koalition
laut Budgetplan 2011 die größten Brocken bei den Posten Arbeit,
Familien und Pensionen einsparen will, werden Niedrigverdiener und
Arbeitslose, die auf Stützen vom Staat angewiesen sind, mehr leiden
als Besserbetuchte. Die Familienbeihilfe etwa macht einen wichtigen
Anteil schwacher Einkommen aus - schon wird die Streichung der 13.
Auszahlung im Jahr erwogen. Kürzungen wie diese sind nicht nur
ungerecht, sondern gefährden auch den Konsum und damit den
Aufschwung. Die unteren Schichten geben von jedem zusätzlichen Euro
einen großen Teil wieder aus. Je höher hingegen das Einkommen, desto
mehr landet auf dem Sparbuch. Gerade Wirtschaftslobbyisten
argumentieren kurzsichtig, wenn sie immer nur auf Einschnitte pochen.
Unkluge Steuererhöhungen, etwa der Mehrwertsteuer, können ähnlichen
Schaden anrichten. Auf Abgaben, die Vermögen belasten, trifft das
viel weniger zu. Die obersten zehn Prozent halten laut Nationalbank
über die Hälfte des Geldvermögens - wegen einer neuen Steuer ist in
dieser wohlbestallten Oberschicht mit keinem großen Konsumeinbruch zu
rechnen. Spielraum für Freibeträge, um kleineren Besitz zu schonen,
bliebe ohnehin.
Dass Vermögen nun auch für die ÖVP nicht mehr sankrosankt sind,
erweitert die Möglichkeiten für eine faire Budgetsanierung. Der Staat
kann es sich nicht leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten.
Folgen den Steuerideen nur Alibiaktionen, droht bedenkliches Sparen
mit dem Rasenmäher.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
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