"Tiroler Tageszeitung" Kommentar: "Ausschluss der Griechen wäre Knieschuss" (Von ALOIS VAHRNER)
Ausgabe vom 25. März 2010
Innsbruck (OTS) - Die EU würde bei ihrem Gipfel gerne andere
Themen besprechen, die Finanzturbulenzen mehrerer Länder werden aber alles überstrahlen.
Griechenland wankt bedenklich nahe am Staatsbankrott und droht in einer Art Kettenreaktion auch noch andere Länder mitzureißen.
Portugals Rating wurde gestern heruntergestuft, andere Euro-Länder wie Spanien könnten die nächsten sein. Dazu kommen EU-Mitglieder wie Großbritannien, das angesichts eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Rekorddefizits ebenfalls unter verschärfter Beobachtung steht.
An den sich zuspitzenden Problemen ist nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise schuld, die mit Unsummen von Steuergeld bekämpft wurde. Das wird vor allem beim Akut-Krisenfall Griechenland augenscheinlich: Die Griechen haben sich mit frisierten Budgetzahlen den Beitritt zur Euro-Zone erschwindelt. Wo aber waren da entsprechende Kontrollen von EU und Europäischer Zentralbank? Und niemals wurde offensichtlicher, wie zahn- und wirkungslos derzeit die Regeln des Euro-Stabilitätspaktes sind - zumal nicht nur die Griechen, sondern auch eine Reihe anderer Länder den Pakt letztlich völlig ungestraft verletzen konnten. Im Übrigen jahrelang auch die Deutschen, die sich jetzt wie zu Zeiten der D-Mark als Zuchtmeister aufspielen und den Griechen den Euro wegnehmen wollen.
Ein Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone und die Wiedereinführung der Drachmen mag als Gedankenexperiment nett sein.
In der Realität würde das ein wirtschaftliches Erdbeben auslösen, weil gegen die Drachme mit Sicherheit massiv spekuliert würde: mit katastrophalen Folgen für die Griechen, denen die EU dann mit noch viel mehr Geld zur Seite springen müsste. Und auch der Euro selbst würde zum Wackelkandidaten.
Daher ist klar: Die EU muss kurzfristige Rettungspakete ebenso schnüren wie endlich ein wirksames Regelwerk für bessere Kontrolle und nötige Durchgriffsrechte im Krisenfall.
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