• 16.03.2010, 08:29:06
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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Weil Schweden im Alter auch glücklich sind - von Alexis Johann

Der Arbeitsmarkt leert sich schneller, als Nachschub kommt

Wien (OTS) - Tatsächlich fährt die Versicherungsbranche mit dem
Rückspiegel in die Zukunft. Das wissen Fahrer roter Autos, die
statistisch gesehen mehr Unfälle produzieren und hin und wieder
höhere Prämien aufgebrummt bekommen. Der Rückspiegel wirkt, wenn die
Variablen, die zur Berechnung der Prämien herangezogen werden, über
Jahre hinweg stabil bleiben. Was jedoch, wenn es langfristige,
verdeckte Trends in den Daten gibt, die die Kalkulation auf den Kopf
stellen? Wenn etwa Naturkatastrophen zunehmen und damit die Ansprüche
stärker zunehmen als die Prämien?

Versicherungen reicht daher der rückwärtsgerichtete Blick bei manchen
Themen nicht, sie beschäftigen Ökonomen zur Zukunftsforschung. Gerade
weil sie ein betriebswirtschaftliches Interesse an Prognosen haben,
ist ihren Statistiken mehr zu trauen als denen, die im Auftrag von
Staaten oder NGOs erstellt wurden. Das ist beim Treibhauseffekt so,
aber auch bei der Demografie. In einer aktuellen Analyse weist die
Volkswirtschaftsabteilung der Allianz darauf hin, dass es in der
Europäischen Union erstmals mehr potenzielle Pensionisten als
potenzielle Berufseinsteiger gibt: 28,8 Millionen EU-Bürgern im Alter
zwischen 60 und 65 Jahren stehen heuer nur 28,6 Millionen Menschen im
Alter zwischen 15 und 20 Jahren gegenüber. Diese Nachwuchslücke wird
bis zum Jahr 2030 auf 8,3 Millionen anwachsen und jede Menge Probleme
bereiten.

Offensichtlich ist, dass die Lücken im Sozialsystem damit größer
werden. Immer weniger arbeitende Menschen müssen - dem Umlagesystem
entsprechend - immer mehr Mitbürger erhalten, die ihre
Sozialansprüche konsumieren. Der Fortschritt, etwa im Bereich
Neurorehabilitation, verschärft den Trend.

Weniger offensichtlich ist der negative Effekt auf den Arbeitsmarkt.
Der übervolle Arbeitsmarkt leert sich zwar schneller, als der
jugendliche Nachschub kommen kann. Für Arbeitgeber ist diese
Botschaft jedoch insofern schlecht, als der Wettbewerb um
qualifiziertes Personal empfindlich steigt. Aber auch sonst geht die
optimistische Rechnung nicht auf, da die Strukturprobleme bleiben:
Die Qualifikation der Arbeitnehmer entspricht nicht den Anforderungen
der Arbeitgeber. Jugendliche Migranten erhalten - wenn sie überhaupt
bleiben dürfen - geringe Unterstützung zur Vermeidung von
Bildungsabbrüchen.

In der Folge verliert Europa gegenüber den USA, die aufgrund höherer
Migration keine Nachwuchslücke haben. Wenn sich nichts ändert.
Derzeit ist in Österreich nur einer von fünf Menschen im Alter
zwischen 60 und 65 beschäftigt, in Schweden dagegen sind es drei von
fünf. Die Kollektivverträge lassen Firmen kaum Spielraum zum
Gegensteuern. Wer lange gearbeitet hat, der kostet in Österreich
viel. Noch zementieren Gewerkschafter dieses Prinzip ein.

Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Tel.: Redaktionstel.: (01) 60 117/305
http://www.wirtschaftsblatt.at

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