• 17.09.2009, 12:45:55
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Parlamentarische Enquete zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk Die Statements der Politik

Wien (PK) - Mit grundsätzlichen Statements der Mediensprecher der
fünf Nationalratsfraktionen, des für Medien zuständigen
Staatssekretärs Josef Ostermayer und von Finanzstaatssekretär
Reinhold Lopatka startete die Parlamentarische Enquete im Hohen Haus
zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Medienvielfalt in
Österreich. Im Mittelpunkt der Ausführungen stand dabei die Zukunft
des ORF, wobei sich ausnahmslos alle Fraktionen zu einem starken
öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannten. Die konkreten
Vorstellungen der Medienpolitiker unterscheiden sich allerdings zum
Teil erheblich voneinander, die vorgelegten Vorschläge reichten von
einer Privatisierung von ORF 1 über die Abschaffung der Gebühren und
die Einrichtung eines auch für Privatsender zugänglichen Fördertopfes
bis hin zur Schärfung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Die
Regierungsparteien zeigten sich uneinig in der Frage, ob dem ORF die
entgangenen Einnahmen aus der Gebührenbefreiung, immerhin ein Betrag
von 60 Mio. €, refundiert werden sollen.

Eröffnet wurde die Enquete von Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer. Sie wies darauf hin, dass der ORF Teil der österreichischen
Identität sei. Daraus leitet sich ihr zufolge ein weitreichender
Kulturauftrag ab. Dieser Auftrag sei immer wieder neu zu definieren,
da sich die Erwartungen, Ansprüche und Gewohnheiten des Publikums und
das Marktumfeld ständig veränderten. Bedauern äußerte die
Nationalratspräsidentin darüber, dass unter den Referenten der
Enquete eine einzige Frau ist. Für sie wird darin sichtbar, wie wenig
Frauen im Medienbereich in Leitungsfunktionen tätig sind.

Die Reihe der grundsätzlichen Statements wurde von SPÖ-Klubobmann
Josef Cap eingeleitet. Er legte ein Bekenntnis zum dualen Rundfunk in
Österreich, also dem Nebeneinander von ORF und privaten Sendern ab,
hob aber gleichzeitig, mit Verweis auf die "mächtige Konkurrenz" aus
Deutschland, die Notwendigkeit eines starken ORF hervor. Über 60
deutsche Sender strahlten nach Österreich, skizzierte er, niemand
könne wollen, "dass Österreich eine deutsche Medienkolonie wird".

Cap unterstrich, der ORF müsse Strukturreformen vornehmen und
Einsparungen tätigen, man dürfe den ORF aber nicht kaputt sparen und
aushungern. In diesem Sinn sprach er sich für die Beibehaltung der
ORF-Finanzierung über Werbung und Gebühren aus und forderte
zusätzlich eine Abgeltung jener 60 Mio. € an den ORF, die diesem
durch Gebührenbefreiungen entgehen. Ebenso warnte er davor, den ORF
auf einen reinen "Verkündigungssender" ohne Unterhaltung zu
reduzieren. Der ORF müsse, so Cap, ökonomisch unabhängig sein.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf wies auf die notwendige Novellierung
des ORF-Gesetzes hin. Dieses Gesetz sei nicht nur für den ORF
relevant, sondern für die gesamte Medienlandschaft in Österreich,
betonte er. Oberstes Ziel müsse es sein, Medienvielfalt in Österreich
sicher zu stellen. Im Bereich der elektronischen Medien hinkt
Österreich seiner Meinung nach hier anderen Ländern noch hinterher.

Die ÖVP stehe für einen starken ORF, sagte Kopf, zu einer dualen
Medienlandschaft im elektronischen Sektor gehörten aber auch starke
private TV-Sender. Durch das Privileg des ORF, Gebühren einheben zu
dürfen, seien Werbeeinschränkungen gerechtfertigt. Ebenso gehöre die
Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu den Pflichten des
ORF. Wo ORF draufstehe, müsse, so Kopf, möglichst viel Österreich
drinnen sein.

Die schwierige Lage des ORF ist nach Meinung Kopfs auch durch eigene
Fehler des Senders verursacht worden. Der ORF habe sich zu lange wie
jeder Monopolist verhalten, erklärte er, und versucht, die
Marktöffnung zu verhindern, statt sich darauf zu konzentrieren, sich
fit für den Markt zu machen. In diesem Sinn erachtet Kopf eine
Restrukturierung des Unternehmens und Einsparungen für dringend
erforderlich.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) bekräftigte eingangs, auch die FPÖ
wolle einen starken, rot-weiß-roten und möglichst unabhängigen ORF.
Seiner Ansicht nach erfüllt der ORF seinen Programmauftrag derzeit
aber nicht in ausreichendem Maß. Vilimsky listete das heutige
Programm von ORF 1 auf und meinte, das sei nicht das, was die
Öffentlichkeit unter Public Value und öffentlich-rechtlichem Auftrag
verstehe.

ORF-Generaldirektor Wrabetz und der SPÖ warf Vilimsky vor, den ORF in
Wirklichkeit nicht reformieren zu wollen, während die ÖVP den Sender
seiner Ansicht nach aus politischen Gründen redimensionieren möchte.
Er selbst plädierte für eine Abschaffung der ORF-Gebühren und die
Entwicklung eines modernen Medienförderungsmodells, das allen Sendern
offen stehe. Die Gebührenhoheit des ORF komme, so Vilimsky, aus einer
Zeit, wo in Österreich nur ORF 1 und ORF 2 empfangen werden konnten.
Warum sollten private Sender für qualitätsvolle Sendungen keine
Förderung bekommen, fragte er.

Abgeordneter Stefan Petzner (B) führte aus, das BZÖ wolle einerseits
einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit öffentlich-
rechtlichem Auftrag, im Sinne einer Mediendemokratie brauche es aber
auch starke kommerzielle Sender. SPÖ und ÖVP haben seiner Meinung
nach den ORF systematisch kaputt gemacht, weil es ihnen nie um das
Unternehmen selbst, sondern lediglich um ihren Einfluss im ORF
gegangen sei. Heute stehe man vor einer Situation, wo der öffentlich-
rechtliche Rundfunk de facto pleite sei und die privaten Sender gegen
einen übermächtigen ORF ums Überleben kämpfen müssten.

Das BZÖ ist Petzner zufolge die einzige Partei, die ein klares
Konzept für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe. Er
forderte, die Gebühren abzuschaffen, ORF 1 zu privatisieren und mit
den erzielten Erlösen aus ORF 2 einen starken öffentlich-rechtlichen
Sender zu machen. Dabei sollen auch die Landesstudios des ORF
erhalten bleiben und abgesichert werden. Als Impuls für private
Medien mahnte Petzner die Abschaffung der Werbesteuer ein.

Abgeordneter Dieter Brosz (G) wandte sich gegen eine parteipolitische
Einflussnahme auf den ORF und kritisierte in diesem Zusammenhang den
ihm zufolge offenbar bestehenden "Deal", wonach die ÖVP das
Nominierungsrecht für den österreichischen EU-Kommissar und die SPÖ
jenes für den ORF-Generaldirektor habe. Als positiv vermerkte Brosz,
dass die Unabhängigkeit im ORF unter der neuen Führung wieder
gestiegen sei und die kritische Berichterstattung zugenommen habe.

Was die ökonomische Lage des ORF betrifft, sprach sich Brosz für eine
"gerechtere" Gebührenverteilung aus. Seiner Auffassung nach ist es
außerdem nur dann möglich, den ORF auf sichere finanzielle Beine zu
stellen, wenn er weiterhin Werbeeinnahmen lukrieren könne. In Bezug
auf private TV-Sender forderte Brosz einen Qualitätsfördertopf für
alle ein.

Medienstaatssekretär Josef Ostermayer wies darauf hin, dass die
Regierung drei wesentliche Ziele in Bezug auf die Medienpolitik
festgelegt habe: Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der
österreichischen Medienlandschaft, Ausbau und Absicherung des dualen
Rundfunksystems sowie ein klares Bekenntnis zur Bedeutung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Österreich sei in Bezug auf den Rundfunk in einer speziellen
Situation, skizzierte Ostermayer. Ein Land mit acht Millionen
Einwohnern stehe einem gleichsprachigen Nachbarn mit achtzig
Millionen Einwohnern gegenüber. Die deutschen Sender sorgen ihm
zufolge einerseits für Medienvielfalt, erschweren aber die
Rahmenbedingungen für private österreichische Medienunternehmen. Auch
die im Vergleich zu öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland
geringen Gebühreneinnahmen des ORF, 500 Mio. € zu 7,5 Mrd. €, haben
ihm zufolge Auswirkungen. Es gebe, so Ostermayer, einen Grund, warum
der ORF gewisse Serien einkaufe.

In Bezug auf die Werbeeinnahmen sieht Ostermayer vorrangig eine
Konkurrenz zwischen österreichischen und deutschen Sendern bzw.
internationalen Internet-Plattformen. Er machte außerdem geltend,
dass die Regierung trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage einen
Fördertopf im Umfang von 6 Mio. € für private und nichtkommerzielle
Rundfunkveranstalter eingerichtet und die Mittel für den Fernsehfilm-
Förderungsfonds erhöht habe. Bezüglich des neuen Fördertopfs läuft
seiner Darstellung nach gerade das EU-Notifizierungsverfahren.

Unterhaltung wertete Ostermayer als wesentlichen Teil des öffentlich-
rechtlichen Auftrags. Es sei Aufgabe des ORF, möglichst viele
Schichten zu erreichen und auch populär zu sein, argumentierte er. Es
gehe nicht ausschließlich darum, Programm für Minderheiten zu machen.

Damit der ORF dauerhaft Bestand habe, erachtet Ostermayer "scharfe
Maßnahmen" für erforderlich. In der Vergangenheit verabsäumte
strukturelle Reformen müssten ihm zufolge nun nachgeholt werden.
Ostermayer trat aber auch für eine Refundierung der Gebührenbefreiung
an den ORF ein, um möglichst viel österreichisches Programm
finanzieren zu können, und plädierte für die Beibehaltung der
Mischfinanzierung des ORF durch Programmentgelte und Werbeeinnahmen.
Einem Unternehmen, das Strukturreformen durchführen müsse, auch noch
Geld wegzunehmen, davon halte er nichts, sagte er.

Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka meinte in Anspielung auf
Ostermayer hingegen, zusätzliches Geld sei sicher nicht die Lösung
für den ORF. Er sei sich der schwierigen finanziellen Lage des ORF
bewusst, erklärte er, man könne aber nicht mehr Geld vom
Gebührenzahler verlangen, wenn man jahrelang über seine Verhältnisse
gelebt habe. Vielmehr sei der ORF aufgerufen, seine Finanzen selbst
in Ordnung zu bringen und von Strukturreformen nicht nur zu reden,
sondern sie auch durchzuführen.

Dass der ORF massiven Handlungsbedarf hat, zeigen laut Lopatka auch
die Ergebnisse einer Rechnungshofprüfung, der zufolge viele
Mitarbeiter großzügige Einzelverträge und nicht nachvollziehbare
Zulagen haben. Lopatka mahnte ebenso eine Personalreduktion und ein
klares Konzept für die Zukunft ein.

Zu den ORF-Gebühren merkte Lopatka an, die ÖsterreicherInnen würden
"ordentlich zur Kasse gebeten". Die Gebühren seien deutlich höher als
etwa in Deutschland, Italien oder Tschechien. Überdies seien sie in
den letzten Jahren um 27 % gestiegen. Der Bund bekommt aus dem Titel
"ORF-Gebühren" Lopatka zufolge 75 Mio. €, die u.a. in die
Medienförderung, den Fernsehfilmfördertopf und in die Kunst- und
Kulturförderung fließen.

Durch die Gebühreneinnahmen habe der ORF einen öffentlich-rechtlichen
Auftrag zu erfüllen, konstatierte Lopatka. Die Kernfrage sei,
inwieweit der ORF diesem Auftrag tatsächlich nachkomme. Der
Staatssekretär mahnte außerdem faire Rahmenbedingungen für private
TV- und Radiosender ein. In einer Zeit, wo der "Werbekuchen"
insgesamt nicht größer werde, müsse dafür gesorgt werden, dass
private Sender genug Luft zum Atmen haben, bekräftigte er.

In weiteren Themenblöcken werden sich PolitikerInnen,
MedienvertreterInnen und andere ExpertInnen im Rahmen der Enquete mit
den Zukunftschancen des öffentlich-rechtlich Rundfunks aus
europäischer Sicht und den Rahmenbedingungen für Medienvielfalt in
Österreich befassen. (Fortsetzung)

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