"Kleine Zeitung" Kommentar: "Wir leisten uns eine Regierung, die nicht mehr regieren kann" (Von Ernst Sittinger)
Ausgabe vom 11.07.2009
Graz (OTS) - Der frühere SPÖ-Landeschef Peter Schachner-Blazizek ließ vor 20 Jahren diesen Slogan plakatieren: "Ich will die Wahrheit sagen, auch wenn's weh tut." Das versprach er den Wählern, Ob er sich daran gehalten hat, soll hier nicht erörtert werden. Doch der Vorsatz ist unvermindert aktuell. Wir würden dringend Politiker brauchen, die ihn mit Leben erfüllen.
Denn die Wahrheit tut weh: Die Proporzdemokratie steirischer Prägung ist am Ende. Wir leisten uns eine Landesregierung, die nicht regiert, sondern deren Fraktionen einander belauern. Diese steirische Landesblockierung - der Kalauer sei gestattet - braucht ihre gesamte Kraft, um sich dem Reformstau entgegenzustemmen.
Ihre Akteure wissen zwar, dass es Strukturprobleme gibt: in der Gemeindepolitik etwa, bei Raumordnung und Flächenwidmung, in Gesundheit und Spitälern, im Sozialwesen und - aus all dem resultierend - im längst nicht mehr beherrschbaren Schuldenberg des Budgets. Es gibt auch Ideen, an welchen Schrauben man drehen sollte, um Linderung oder Besserung zu erreichen.
Allein: Es geschieht nichts. Denn die Regierung ist unfähig, in den großen Zukunftsfragen des Landes einen belastbaren politischen Willen zu bilden. Ihren Mitglieder ist das Parteibuch zu jeder Zeit näher als der Eid gegenüber dem Gemeinwesen. Deshalb wird im Bedarfsfall auch wider besseres Wissen agiert, um einem parteitaktisch ausgeheckten Schlachtplan zum Durchbruch zu verhelfen. Übertölpelung ist wichtiger als Überzeugung.
Mit dem Finanz- und dem Spitalsreferenten haben wir mittlerweile zwei Landesräte, die offen zugeben, selbst nicht an die von ihnen exekutierte Politik zu glauben. Sie halten die Aufträge des Landtags für falsch, aber lieber regieren sie falsch als gar nicht.
Der heutige Politiker von Rang tritt allenfalls in Schimpf und Schande nach einem deftigen Skandal zurück. Dass der Rücktritt vom politischen Amt auch eine Frage der Ehre und des Respekts sein kann -weil man sich nämlich seine innere Haltung in einer Sachfrage nicht abkaufen lässt -, ist in solchen Kreisen unbekannt.
Das alles sind Gründe, die unsere Zeitung bewogen haben, bei der Zeugnisverteilung für die Landesregierung diesmal auch negative Noten zu vergeben. Mancher Leser mag dies für anmaßend halten. Richtig ist auch, dass heute schon mehr Mut dazugehört, einen Politiker öffentlich zu loben, als ihn zu kritisieren. Aber diese Mutprobe hat sich leider gar nicht erst gestellt. Denn wir wollen die Wahrheit sagen. Auch, wenn es weh tut.****
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