• 01.07.2009, 19:18:58
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Landwirtschaftsausschuss beschließt neue Marktordnung Angeregte Debatte über die Maßnahmen für die Milchbauern

Wien (PK) - Eine ausführliche und lebhafte Diskussion über das
Agrarrechtsänderungsgesetz 2009 fand heute Nachmittag in der Sitzung
des Landwirtschaftsausschusses statt. Zunächst stand nur ein S-V-
Antrag auf der Tagesordnung, zu dem im Laufe der Sitzung jedoch ein
sehr umfangreicher Abänderungsantrag eingebracht wurde. Gegen diese
Vorgangsweise protestierte die Opposition, da es ihrer Ansicht nach
nicht möglich sei, sich in so kurzer Zeit auf eine so komplexe
Materie vorzubereiten; eine sachliche Diskussion sei somit nicht
gewährleistet. Im Mittelpunkt des Antrags stand die Etablierung einer
neuen Marktordnung, durch welche die im Rahmen des GAP-
Gesundheitschecks eingeräumten Spielräume im Bereich der
Direktzahlungen (v.a. am Milchsektor) umgesetzt werden sollen. Das
Gesetzespaket, das von Seiten der SPÖ nur als kleiner Schritt, dem
viele weitere folgen müssen, beurteilt wurde, wurde mit den Stimmen
der Vertreter der Koalitionsparteien angenommen.

Schließlich standen noch drei Anträge der Opposition auf der Agenda,
in der die Grünen und das BZÖ auf die schwierige Situation der
heimischen Milchbauern hinwiesen und jeweils entsprechende
Maßnahmenpakete forderten. Ein FPÖ-Entschließungsantrag betraf den
Erhalt einer kleinbäuerlich strukturierten Landwirtschaft in
Österreich ohne Einsatz von Gentechnik; alle drei Anträge wurden
abgelehnt.

Agrarrechtsänderungen: Schwieriger Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP

Ausgangspunkt für die Debatte war ein S-V-Antrag betreffend ein
Agrarrechtsänderungsgesetz 2009, das in erster Linie nur Anpassungen
an das EU-Recht sowie die Umsetzung von bisherigen
Vollzugserfahrungen enthielt. Dazu wurde jedoch ein 41 Seiten
umfassender S-V-Abänderungsantrag eingebracht, der vor allem die
nationalen Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der Direktzahlungen
enthielt (Änderung des Marktordnungsgesetzes 2007 und des
Marktordnung-Überleitungsgesetzes).

Die Hauptbestandteile der Betriebsprämienregelung werden beibehalten.
Die Sektoren, in denen derzeit noch produktionsgekoppelte Zahlungen
gewährt werden, sollen schrittweise (im Zeitraum 2010 bis 2012) in
die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, wobei die
Mutterkuhprämie aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die
Landwirtschaft in bestimmten Regionen auch weiterhin als gekoppelte
Maßnahme beibehalten werden kann. Von der grundsätzlich vorgesehenen
Möglichkeit eines Betriebsprämienmodellwechsels wird nicht Gebrauch
gemacht. Der Hauptgrund liegt darin, dass der Gesundheitscheck
lediglich eine Zwischenstufe darstellt, jedoch keine spezifischen
Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013
(deren Grundzüge und finanzielle Ausgestaltung derzeit noch völlig
offen sind) enthält, heißt es in den Erläuterungen.

Um die Auswirkungen des Auslaufens der Milchquoten aufgrund
struktureller Nachteile in der Milchproduktion zu dämpfen, besteht
die Möglichkeit einer besonderen Stützung innerhalb bestimmter
gemeinschaftsrechtlich determinierter Grenzen. Die weitere
Ausgestaltung der Stützung in Form einer tierbezogenen Zahlung
(Milchkuhprämie) wird im MOG 2007 geregelt. Bereits bisher war
vorgesehen, dass die Milchquote lediglich bis zum 31. März 2015 fort
besteht. Mit schrittweisen Quotenerhöhungen von fünf Mal 1 % soll ein
reibungsloser Übergang erfolgen und eine übermäßige Korrektur nach
dem Auslaufen der Quotenreglung vermieden werden. Diese
Quotenerhöhungen sollen bei entsprechender Marktlage und gegebenen
Absatzmöglichkeiten im Milchsektor durch Verordnung einzelbetrieblich
den Lieferquoten zugeteilt werden können, wobei der schon bisher im
MOG 2007 enthaltene Grundsatz der linearen Zuteilung zur Anwendung
kommt. Durch eine Änderung beim Zuweisungssatz (Saldierung) soll auf
stärkere Überlieferungen der einzelbetrieblichen Milchquote gezielter
Bedacht genommen werden.

Außerdem soll die Möglichkeit der einzelbetrieblichen Zuteilung der
Milchquotenerhöhung ab 2009 nach Maßgabe der jeweils aktuellen
Marktlage und der Absatzmöglichkeiten im Milchsektor geschaffen
werden. Vorgesehen ist zudem die Teilnahme an optionalen
Gemeinschaftsprogrammen (wie zum Beispiel Schulobstprogramm oder
kostenlose Abgabe von Erzeugnissen aus Beständen der Intervention an
Bedürftige in der Gemeinschaft).

Weiters sieht das Agrarrechtsänderungsgesetz Anpassungen in folgenden
Rechtsmaterien vor: Durch die Änderung des
Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 werden die Bestimmungen der
vereinfachten Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an die Judikatur
des EuGH angepasst. Die Pflanzgutgesetz-Novelle enthält Vorschriften
betreffend die Umstellung der Zulassung von Versorgern auf eine bloße
Registrierung, eine Anpassung der Sortenlisten für Obstarten, ein
Zertifizierungsverfahren für Obstpflanzgut sowie eine Präzisierung
der "amtlichen Prüfung". In das Pflanzenschutzgesetz 1995 sollen
Vorschriften für Ausführer von Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen und
sonstigen geregelten Gegenständen hinsichtlich der Verpflichtung zu
Registrierung, Kennzeichnungs- und Verplombungssystemen und
phytosanitären Sicherstellungen aufgenommen werden; bei der Kontrolle
von Verpackungsmaterial aus Holz mit Ursprung in Drittländern soll es
zu einer Neuausrichtung der Kontrollen kommen; weiters soll die
Strafbestimmung hinsichtlich der Ahndung der Einfuhr von Pflanzen und
Pflanzenerzeugnissen ohne gültiges Pflanzengesundheitszeugnis im
Zusammenhang mit dem Schmuggel artenschutzrechtlich geschützter
Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse ergänzt werden. Schließlich wird
auch noch das Forstliche Vermehrungsgutgesetz 2002 geändert, da nach
sechsjähriger Anwendungszeit des Gesetzes Ergänzungen und Korrekturen
erforderlich wurden.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) bekannte sich offen dazu, dass sich
seine Fraktion zwar eine viel weitreichendere Lösung gewünscht hätte,
dem vorliegenden Kompromiss aber zustimmen werde. Es handle sich
dabei bei weitem nicht um die beste Lösung, aber es sei ein kleiner
Schritt in die richtige Richtung. Daran wurde aber die Bedingung
geknüpft, dass die Gespräche mit der ÖVP intensiv fortgesetzt werden.
Außerdem soll bis zum Herbst auch eine Lösung bezüglich der
Finanzierung der AGES auf dem Tisch liegen.

Abgeordneter Franz Eßl (V) war überzeugt davon, dass das
Marktordnungsgesetz einige sehr wichtige Punkte für die Bauern
enthalte. Als Beispiel führte er an, dass die Auszahlung einer
Milchkuhprämie möglich ist, wovon vor allem kleinere Betriebe
profitieren werden. Die Forderung der Grünen nach Abschaffung der
Saldierung lehnte er ab, weil dies in der jetzigen Phase nachteilige
Auswirkungen hätten. So eine Maßnahme hätte man vor drei bis vier
Jahren durchführen müssen. Außerdem befürchtete Eßl, dass dadurch die
Quotenpreise in die Höhe getrieben werden. Ablehnend äußerte er sich
auch zum G-Vorschlag, die Exportsubventionen abzuschaffen, weil
gerade damit der Markt reguliert werden könne. Überdies sei die Quote
ohne Begleitinstrumente wirkungslos, gab Eßl zu bedenken.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) war überzeugt davon, dass die
österreichischen Milchbauern die aktuelle Krise aufgrund der
Ausgleichszahlungen viel besser überstehen werden als die Landwirte
in anderen EU-Staaten. Sodann befasste er sich noch mit den
Änderungen in den übrigen Agrargesetzen, wie etwa dem
Pflanzenschutzmittelbereich.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) ging zunächst auf den
Entschließungsantrag seiner Fraktion ein, in dem u.a. eine amtliche
Preiskalkulation für Milch und Milchprodukte gefordert wird, die sich
an einer Vollkostenrechnung orientiert. Außerdem trat er für die
Abschaffung des Systems der Saldierung sowie für die Umsetzung eines
modernen Marketingkonzepts im Milchbereich ein. Weiters wünschte sich
Pirklhuber, dass sämtliche Interessenorganisationen im Milchsektor
(Molkereien, IG-Milch, Landwirtschaftskammern, Handel) regelmäßig zu
einem Runden Tisch eingeladen werden, damit aktuelle
Herausforderungen partnerschaftlich gelöst werden können.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) konnte dem Abänderungsantrag wenig
abgewinnen, da vor allem die Milchbauern endlich eine konkrete Hilfe
brauchen. Er wünschte sich die Einführung eines Sockelbetrags für
kleine Vollerwerbsbauern, damit sie ihre Höfe erhalten können.
Kritisch beurteilte er auch, dass bei den Molkereien keine
Kontrollmechanismen etabliert werden. Sein Fraktionskollege
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek machte sich vor allem Sorgen darum,
wie es nach dem Jahr 2013 weitergehen soll; hier fehlen die
Perspektiven. Er forderte, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene
koordinierter und stärker für die Interessen der Milchbauern
eintritt.

Abgeordneter Harald Jannach (F) trat für die Abschaffung der
Saldierung ein, da sie unfair sei und jene begünstige, die jetzt
Überlieferer sind. Handlungsbedarf sah er auch hinsichtlich der
Milchersatzprodukte, die immer mehr über Hand nehmen.

Auch Abgeordneter Josef Muchitsch (S) berichtete von schwierigen,
aber sehr tiefgehenden Verhandlungen mit dem Koalitionspartner. Er
glaube, dass sich beide Seiten durchaus dessen bewusst sind, dass
weitere Maßnahmen zu setzen sind, vor allem in den Fragen
Konsumententäuschung und Milchüberproduktion sowie im gesamten
Förderbereich.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) betonte die Notwendigkeit, in
den Markt einzugreifen, wenn man den vielfältigen Leistungen der
Bauern in der Agrarpolitik Rechnung tragen wolle. Er erwarte ein Ende
der Deregulierung und einen agrarpolitischen Kurswechsel nach den
Wahlen in Deutschland und forderte den Landwirtschaftsminister auf,
rechtzeitig dafür zu sorgen, dass Österreich - wie bei der Gentechnik
- auf der richtigen Seite stehe. Gefordert seien agrarpolitische
Zukunftsstrategien, sagte Pirklhuber und zeigte sich überzeugt, dass
Exportsubventionen, die zu Dumpingpreisen führen, sicherlich nicht
dazu gehören, da mittlerweile jeder wisse, dass EU-Agrarexporte
bäuerliche Existenzen in Afrika und Mittelamerika zerstörten. Auch
die Themen Vorsorgepolitik und Ernährungssouveränität sollten viel
stärker forciert werden. Mit Abgeordnetem Jannach wusste sich
Pirklhuber einig im Kampf um gentechnikfreie Futtermittel. Die
Existenz der Milchbauern sah Pirklhuber gefährdet und forderte ein
Konjunkturpaket für den ländlichen Raum.

Abgeordneter Harald Jannach (F) erbat Auskunft über die Auswirkungen
der Saldierung auf die Milchbauern und über den Verhandlungsstand zu
den Themen Einheitswerte und Agrardiesel.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich zeigte sich froh darüber, dass
das Agrarrechtsänderungsgesetz, dessen Herzstück die neue
Marktordnung sei, heute einem Beschluss zugeführt werden könne. Er
wies die Abgeordneten darauf hin, dass die Änderungen im Bereich der
Direktzahlungen zwar erst mit 1. Jänner 2010 wirksam werden, die
Mitteilung an die Europäische Kommission über die vom Mitgliedstaat
getroffenen Umsetzungsmaßnahmen jedoch bereits vor dem 1. August 2009
erfolgen müssen.

Am System der Saldierung, für das sich auch das Expertengremium der
Landwirtschaftskammer ausgesprochen hat, halte er fest, führte der
Agrarminister weiter aus. Weiters erinnerte Berlakovich daran, dass
trotz des österreichischen Widerstands die Mehrheit der EU-Staaten
ein Auslaufen der Milchquote beschlossen hat. Er räumte auch
gravierende Probleme auf dem Milchmarkt ein, die auf Ungleichgewichte
zwischen Angebot und Nachfrage zurückgehen - daher seien die Markt-
Maßnahmen (Interventionskäufe, Exporterstattungen etc.) der EU
richtig und notwendig, hielt der Minister gegenüber Abgeordnetem
Pirklhuber fest. Als Beispiel führte Berlakovich die Tatsache an,
dass die Lebensmittelindustrie die Milchbeigaben im Speiseeis nun
durch Pflanzenfette ersetze. Einen Bericht über die Auswirkungen des
Healthchecks habe die EU für 2010 in Aussicht gestellt, teilte er den
Abgeordneten mit.

Schließlich erläuterte der Minister das System der "Spreizung", mit
dem dafür gesorgt werde, dass Milch-"Überlieferer" mehr zahlen. Man
sollte aber nicht vergessen, dass auch kleine Bauern zu den
"Überlieferern" zählten und betroffen wären, wenn sie ab dem ersten
Liter über der Quote zahlen müssten. Es sei aber vorgesehen, dass
jene, die extrem überliefern, nun zur Kasse gebeten werden.

Die Auswirkungen der Agrarrechtsänderungen auf Milchbetriebe
bezifferte der Minister gegenüber Abgeordnetem Jannach mit 60 Euro
bei zehn und mit 40 Euro bei 20 Kühen. Die Verhandlungen über die
Einheitswerte seien im Gange, das Pauschalierungssystem bleibe
aufrecht.

Alle drei Oppositionsanträge wurden abgelehnt

Auf der Tagesordnung stand auch ein Entschließungsantrag der Grünen,
in der Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber von einer "ruinösen
Milchmarktpolitik" spricht. Die österreichische Bundesregierung müsse
seiner Ansicht nach in der EU mit Nachdruck für folgende Maßnahmen
eintreten: Anstatt der Quotenerhöhung soll das Instrument der
flexiblen Mengensteuerung eingesetzt werden, um Angebot und Nachfrage
auszubalancieren. Gemäß dem Leitbild einer flächengebundenen
Milchproduktion müssen den Grünland-Bäuerinnen und -Bauern auch nach
2015 Lieferrechte für die Milchproduktion garantiert werden. Außerdem
muss das Exportdumping umgehend beendet und die Exportsubventionen
eingestellt werden. Auf nationaler Ebene fordert der G-Mandatar
Wolfgang Pirklhuber die Umsetzung einer umfassenden
Qualitätsstrategie für die österreichische Milchwirtschaft.

Auch das BZÖ setzt sich in einem Entschließungsantrag für die
finanzielle Absicherung der Milchbauern ein. Die EU-Agrarminister
haben sich bedauerlicherweise darauf geeinigt, die Milchquote in fünf
Schritten von je 1 % jährlich bis 2014 anzuheben, beklagten die
Antragsteller. Die drastisch sinkenden Milchpreise und der Rückgang
bei den Förderungen zwingen viele Bauern zur Aufgabe ihrer Betriebe.
Der Landwirtschaftsminister wird vom BZÖ daher aufgefordert, umgehend
die nationalen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die
Zahlung einer Milchkuhprämie zu schaffen, im Sinne einer
Gewährleistung eines angemessenen bäuerlichen Einkommens für gerechte
und faire Milchpreise zu sorgen und sich weiterhin auf europäischer
Ebene gegen eine vorzeitige Erhöhung der Milchquoten einzusetzen.

Schließlich befassten sich die Mandatare noch mit einem FPÖ-
Entschließungsantrag, in der sich die freiheitlichen Abgeordneten zu
einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft abseits von
Agrarfabriken und ohne jede Form von Gentechnik bekannten. Von der
Bundesregierung wünschten sich die Freiheitlichen die Vorlage eines
Maßnahmenpakets, das sicherstellt, dass der Einsatz von Gentechnik in
unserer Landwirtschaft dauerhaft verhindert, das Weiterbestehen der
heimischen Landwirtschaft in ihrer traditionellen Struktur gesichert
und die Ernährungssicherheit unserer Bevölkerung dauerhaft garantiert
wird. Durch den Erhalt der heimischen Landwirtschaft in ihrer
traditionellen Struktur soll die Diversität der Arten und Ökologie
und damit das Funktionieren unseres Ökosystems dauerhaft
gewährleistet werden. (Schluss)

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