• 23.05.2009, 18:18:40
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"Die Presse am Sonntag"-Leitartikel: Nehmt ihnen doch gleich das Wahlrecht!, von Rainer NOWAK

Ausgabe vom 24.05.2009

Wien (OTS) - Das Gejammer und Philosophieren über die rechte
Jugend ist ärgerlich und sinnlos zugleich. Warum fragen wir nicht
lieber, was die Parteien für die Jungen denn so unternehmen und ihnen
bieten?

Sie werden abgebildet wie exotische Tiere. Da wird etwa "Franz, 20",
fotografiert, wie er eine Fahne schwenkt und lächelnd erklärt: "Ich
engagiere mich in der FPÖ, um die Heimat zu verteidigen." Und
"Martina, 18", mit dem Playboy-Häschen auf dem Kapuzensweater, gibt
ihre Stimme der FPÖ, laut "News" mit der Begründung: "Will mich nicht
fürchten und angepöbelt werden." Illustrierte, Magazine und die
darauf reflektierende Öffentlichkeit stellen sich angst- bis lustvoll
die Frage: Warum wählen so viele junge Wähler die FPÖ? Warum gefällt
ihnen der heisere Populismus aus dem Solarium-Perlweiß-Mund so gut?
Warum denken sie so extrem und rechts?
Denn es handelt sich längst nicht mehr um exotische Erscheinungen,
sondern um politische Machtfaktoren. Je nach Wahl und Umfrage - eine
besonders schaurige, also blau gefärbte, soll von den früher als
Großparteien bekannten SPÖ und ÖVP sogar unter Verschluss gehalten
worden sein - ist Heinz-Christian Strache bei Erst- und Jungwählern
voran oder auf Platz zwei, aber immer sehr stark.
Das und die jüngsten provokanten bis kriminellen Aktionen in Ebensee
und anderswo stürzen Leitartikler und andere Mahner in Ratlosigkeit,
dabei ist die Sache ausnahmsweise so schwierig nicht. Junge wählen
oder denken nicht rechtspopulistischer oder rechtsextremer als der
Rest der Bevölkerung. Das ist besorgniserregend genug, aber kein
Alarmzeichen für die Demokratie, sondern für die anderen Parteien,
die den Kontakt verloren haben.
Nein, den stellt man nicht mit ein paar netten Funktionären wieder
her, die auf Friends-Jagd auf Facebook gehen oder über ihren Alltag
twittern, auch nicht mit Club- und Beachvolleyball-Auftritten,
sondern mit den richtigen Köpfen und Inhalten. Selbst junge Gesichter
gehören zu altgedienten Politikern: Laura Rudas ist für einen heute
20-jährigen mittelmäßig an Politik Interessierten schon länger in der
politischen Wahrnehmung als Werner Faymann, der vor ein paar Jahren
aus Wiens Rathaus auftauchte. In der Volkspartei war eine gewisse
Silvia Fuhrmann die logische Nachfolgerin von Othmar Karas als Chefin
der Jungen VP, nun hat dort Sebastian Kurz das Ruder übernommen. Dass
er in Wien nun Vize von Landesparteichef Johannes Hahn wird, lässt
befürchten, dass es ihm wie Rudas vor allem um die klassische
Karriere geht. Denn die omnipräsente Nachwuchshoffnung Rudas ist
keine mehr, sondern reibt sich mit internen Rangeleien und Sitzungen
als Bundesgeschäftsführerin auf.
Und die Grünen? In der Partei wird schon längere Zeit mehr der
private denn der politische Nachwuchs gefördert, und das betrifft
keineswegs Eva Glawischnig allein, wie die Hilflosigkeit der Wiener
Grünen zeigt, die mit einer Sympathisanteninitiative für neue
Kandidaten von außen hadern.
Politische Aussagen oder Forderungen für Junge hört man in keiner
Partei. Laura Rudas hat sich dem solidarischen Ausgleich mit den
Pensionisten verschrieben, also der ersten Bürgerpflicht im
Sozialpartner-Regime. Auch ihr Kollege Kurz hat nur einmal mit der
Idee aufgezeigt, eventuell - solidarisch! - in bestehende
Beamtenpensionen eingreifen zu können. Das hat er nur einmal gemacht.
Erst- und Jungwähler wissen auch so, dass sie einmal keine oder sehr
kleine Pensionen bekommen werden. Sie spüren auch genau, dass sie es
noch schlechter als die vorige "Generation Praktikum" getroffen
haben: Die Wirtschaftskrise trifft den Arbeitsmarkt mit voller Wucht,
bevor sie ihn überhaupt betreten haben. Wer das Abenteuer Lehrling
wagt, darf sich in der politischen Debatte zwischen der Finanzierung
des Gesundheitssystems und der Arbeitszeitenregelung einreihen.
Strache braucht dazu nichts zu meinen, er sammelt die Frustrierten
automatisch ein. Nur zur ausufernden Kleinkriminalität, die
Jugendliche in den Städten am meisten trifft und ängstigt, sagt er
etwas. Mit seinen "Ausländer raus"-Varianten zielt er auf den
Migrationshintergrund vieler Jugendbanden ab - ein Problem, das es
offiziell gar nicht gibt.
Eigentlich ist es ein Glück, dass sie nur Strache wählen.

Rückfragehinweis:
chefvomdienst@diepresse.com

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