WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Jetzt sind wir am Gipfel der Hysterie - von Esther Mitterstieler
Jetzt ist alles Krugman, trotz manch gewagter These
Wien (OTS) - Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Was ist da eigentlich in den Ökonomen Paul Krugman gefahren? Mein erster Gedanke war: Warum rennen Medien immer irgendwelchen Wunderwuzzis hinterher? Jetzt ist alles Krugman - trotz manch gewagter These. Wobei ich grundsätzlich viele Ideen des Ökonomen teile. Was er aber in Sachen Österreich von sich gegeben hat, kann nicht unbeantwortet bleiben. Österreich steht seiner Meinung nach vor einem möglichen Staatsbankrott. Der Grund ist das Engagement der österreichischen Banken in Osteuropa.
Nun ist klar, dass Österreichs Finanzinstitute massiv in Osteuropa investiert sind. Ohne Bank Austria UniCredit mit ihrer italienischen und Hypo Alpe Adria mit ihrer deutschen Mutter sind die heimischen Banken mit rund 200 Milliarden Euro in Osteuropa investiert. Das Kreditvolumen ist laut Finanzminister Josef Pröll mit 85 Prozent gedeckt, und zwar von Spareinlagen vor Ort. Zehn Prozent des Kreditvolumens können als gefährdet eingestuft werden, sagt die europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, EBRD.
Wenn man nun davon ausgeht, wie viel die österreichischen Banken zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen, kann man die These des Nobelpreisträgers schlagartig entkräften: Österreichs Finanzinstitiute leisten einen jährlichen Beitrag von 5,5 Prozent des BIP. Daraus auf einen Staatsbankrott zu schließen, sollten in Osteuropa alle Bankenstricke reißen, ist eine gewagte Aussage. Gleichzeitig scheint Krugman vor allem Investmentbanken im Kopf zu haben, wenn er über Österreichs Institute richtet. Davon kann, wie eben ausgeführt, keine Rede sein.
Genauso gewagt ist die These, jetzt Krugman als Feind Österreichs an die Wand zu malen. Das klingt in manchen Kommentaren schon fast wie eine zweite Dolchstoßlegende. Die Hintergründe mögen einfacher und banaler sein als hierzulande diskutiert wird. Österreich wurde über unreflektierte Aussagen Schaden zugefügt, das mag wohl stimmen; aber so wichtig wie wir uns nehmen, sind wir auch wieder nicht. Faktum bleibt: Österreichs Banken haben ihre Probleme in Osteuropa. Das wird auch keiner abstreiten. Die Kirche kann man trotzdem im Dorf lassen. Wenn der Finanzminister kontert, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland hätten mit ihren riesigen Exposures in den USA vielleicht größere Probleme als Österreich mit seinem in CEE, ist das aber auch nur der Reflex eines Beleidigten. Oder ein Zeichen, dass wir am Gipfel der allgemeinen Hysterie sind.
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