- 30.03.2009, 18:21:23
- /
- OTS0288 OTW0288
"Die Presse" Leitartikel: Foulspiel am Steuerzahler, von Karl Ettinger
Ausgabe vom 31.03.2009
Wien (OTS) - Krise - welche Krise? Der Brot-und-Spiele-Kult geht
trotz Sparappellen nicht nur in Kärnten in die Verlängerung.
Die Hausherren in Rot, die bei den Fans fast jeden Kredit verspielt
haben, werden jetzt versuchen, mit Offensivgeist die letzten
Niederlagen vergessen zu machen. Die Tritte der Spieler der
Gastmannschaft werden ausgebuht: Klagenfurt steht fast ein halbes
Jahr nach dem Unfalltod Jörg Haiders zumindest in Österreich wieder
medial im Blickpunkt. Allerdings nicht wegen der heutigen
konstituierenden Sitzung des Kärntner Landtags, sondern, weil
Österreichs Fußballnationalmannschaft am Mittwochabend gegen Rumänien
am Wörthersee kickt. Trotzdem wird Landeshauptmann Gerhard Dörfler
der Neid fressen: Ein paar hunderttausend TV-Zuschauer bei einer
Liveübertragung seiner Wiederwahl im Landtag hätte der BZÖ-Politiker
auch gern.
Der Triumph des orangen Landesligaspielers am 1. März ist fast so
überraschend gekommen wie der Sieg des Nationalteams gegen
Exweltmeister Frankreich 2008. Was sie gemeinsam haben? In beiden
Fällen konnten sich die Sieger den Erfolg nicht wirklich erklären.
Wenn es nach den sonst gezeigten Leistungen geht, wäre für Jubelposen
kein Anlass gewesen.
In Kärnten haben die Orangen (und vormals Blauen) noch in Zeiten der
Hochkonjunktur dafür gesorgt, dass das Land, zumindest was die
Schulden betrifft, im Spitzenfeld liegt. Nun muss das
BZÖ-ÖVP-Bündnis, das am Montag seinen Regierungspakt vorgestellt hat,
mit Sparbudgets über die Runden kommen. Sage noch einer, es gäbe
nicht doch irgendeine politische Gerechtigkeit: Dörfler und Co. büßen
jetzt selbst für die Budgetsünden, die das BZÖ in den vergangenen
Jahren angestellt hat.
So schlimm kann die Finanznot aber gar nicht sein, dass Politiker
endlich die schon arg zerfranste Spendierhose ausziehen. Im fernen
Wien mögen Finanzminister Josef Pröll und ein paar Ökonomen noch so
eindringlich zur Sparsamkeit angesichts der Wirtschaftskrise mahnen
und die Österreicher auf das Gürtel-enger-Schnallen einschwören. Es
gibt noch immer genug (Landes-)Politiker, die glauben, sie könnten
weiter mit Steuergeld urassen. Dafür lassen sie sich dann auch noch
feiern wie die Torschützen, die vor dem Anhängersektor ihr Leibchen
vom Körper reißen.
Brot und Spiele in der Kasnudel-Variante, das schaut dann so aus,
dass der Landeshauptmann aus den ohnehin nicht vorhandenen Mitteln in
der Landeskasse eine halbe Million Euro für den Fußballklub Austria
Kärnten springen lässt. Dahinter steckt wohl Beschäftigungspolitik in
Orange der besonderen Art: In Krisenzeiten wird einem
Tabellenmittelständler samt einer Handvoll über die Grenzen
Klagenfurts hinaus kaum bekannter ausländischer Spieler das
vorläufige Überleben in der Bundesliga zur höheren Ehre des
Landeshauptmannes gesichert. Volltreffer!
Gewiss, 500.000 Euro ruinieren noch kein Budget. Aber immerhin müssen
brave Steuerzahler - auch aus Kärnten - dafür schon eine Zeit lang
schuften. Jede Wette, dass vielen Bürgern auf Anhieb zehn Vorschläge
einfallen, wie ihr abkassiertes Steuergeld in Krisenzeiten besser
eingesetzt wäre.
Die Kärntner ÖVP ist schon selig, seit der Wahl zumindest wieder
knapp über der Wahrnehmungsgrenze zu liegen und als Koalitionspartner
auch ein bisschen am Verteilen des Budgetkuchens mitmachen zu dürfen.
Die SPÖ - hey, die gibt's dort tatsächlich auch noch! - ist auf
einmal in der Verteidigerrolle des Steuerzahlers. Die Finanzhilfe des
Landes müsse man "erst einmal argumentieren", verlangte SPÖ-Landesrat
Peter Kaiser.
Mit diesem Nachdruck sollte das der (fast letzte) Kärntner SPÖ-Mann
auch von seinen roten Parteifreunden im Wiener Rathaus verlangen. In
der Bundeshauptstadt des Brot-und-Spiele-Kults machte die
SPÖ-regierte Stadt Wien auf des Steuerzahlers Kosten für die Fanmeile
im Hanappi-Stadion knapp vier Millionen Euro flüssig. Ein teures
Vergnügen für nicht einmal 20.000 Fanmeilenbesucher. Ein Schelm, wer
dahinter eine stattliche städtische heimliche Subventionierung des
zufällig im Hanappi-Stadion beheimateten Fußballklubs Rapid vermutet.
Bei dem ebenso rein zufällig ein paar prominentere SPÖ-Politiker
Dauergäste auf der Zuschauertribüne sind.
Unverbesserliche Optimisten, also solche, die auch noch an
Österreichs WM-Teilnahme in Südafrika glauben, werden in der
euroverteilenden Politikerhand etwas Positives sehen: Solange dafür
noch Geld da ist, kann die Krise noch immer nicht so dramatisch sein.
Weniger einfältige Gemüter meinen hingegen, Politiker könnten von
Glück reden, dass es für sie keine roten Karten gibt. Sonst wären
schon viele, nicht nur in Kärnten, wegen Foulspiels am Steuerzahler
ausgeschlossen worden.
Rückfragehinweis:
Die Presse
chefvomdienst@diepresse.com
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PPR






