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DER STANDARD-Kommentar: "Kandidaten dringend gesucht" von Conrad Seidl
Die Großparteien müssen zeigen, dass sie herzeigbare Personalreserven haben (Ausgabe vom 9.3.2009)
Wien (OTS) - Bundespräsident Heinz Fischer hat erreicht, was er
erreichen wollte. Kurz vor seiner Wahl im Jahr 2004 hat er in seiner
bedächtigen Art als Ziel formuliert, dass ihm etwa ein Jahr nach
seiner Wahl auch jene, die ihn nicht gewählt haben, eine gute
Amtsführung bestätigen.
Es hat nicht einmal ein Jahr gedauert. Und: Die Zustimmung ist in all
der Zeit auf hohem Niveau geblieben. Fischer kann sich derzeit über
Umfragewerte freuen, die über dem Niveau liegen, das sein
Amtsvorgänger Thomas Klestil in seiner besten Zeit erreicht hat: 29
Prozent gefällt Fischer ausgezeichnet, weiteren 34 Prozent gefällt er
immerhin noch gut.
Würde man so jemanden abwählen?
Eine halbwegs treffsichere Antwort auf diese Frage lässt sich
seriöserweise erst abschätzen, wenn der Wahltermin näherrückt. Wenn
man also weiß, ob Fischer selber noch einmal antreten will - und wer
sich überhaupt traut, dem amtierenden Bundespräsidenten einen
Herausforderer gegenüberzusetzen. Immerhin gibt es in der Geschichte
der Zweiten Republik kein Beispiel dafür, dass ein Bundespräsident
aus dem Amt gewählt wurde.
Das hätte allenfalls 1992 passieren können. Da saß der höchst
umstrittene Kurt Waldheim ziemlich verlassen und mit dem Gefühl,
wegen seiner Kriegsvergangenheit zu Unrecht angegriffen worden zu
sein, in der Hofburg. Er hatte dann keine Lust mehr, sich noch einem
Wahlkampf zu stellen - und die ÖVP, die ihn 1971 vergeblich und 1986
erfolgreich aufgestellt hatte, wirkte über die Entscheidung des
Bundespräsidenten alles andere als unglücklich. Aber das war eine
politische Ausnahmesituation.
Normalerweise führt Österreichs Staatsoberhaupt ziemlich unauffällig
die Staatsgeschäfte, überlässt das Regieren und den damit verbundenen
Streit der Regierung - und meldet sich gelegentlich mit einer leisen
Mahnung zu Wort. Etwaige Meinungsverschiedenheiten mit dem
Bundeskanzler öffentlich zu machen, wie das Klestil zelebriert hat,
bringt in der Sache wenig und kostet zudem Sympathien.
Auch in einer Wahlauseinandersetzung darf man sich nicht zu weit
hinauslehnen - die meisten Präsidentschaftswahlkämpfe waren auch
entsprechend langweilig.
Und dennoch: Die Österreicher hätten gerne, dass sie stattfinden.
Wenn drei Viertel der Bürger wollen, dass ein Kandidat der SPÖ
antritt und immerhin zwei Drittel einen der ÖVP sehen wollen, dann
bedeutet das, dass die Bürger ein Angebot mit entsprechender Auswahl
haben wollen: Es kann nur einer gewinnen - aber dessen Erfolg soll
nicht bloß an zweit- und drittrangigen Kandidaten gemessen werden.
Man erinnert sich an 1998 und 1980, als dem amtierenden
Bundespräsidenten kein Kandidat einer Großpartei, wohl aber ein wenig
staatsmännischer Baumeister und ein noch weniger staatsmännischer
Rechtsextremist gegenüberstanden. Der jeweils verzichtenden Partei
wurde das scheinbare Wohlverhalten auch nicht honoriert.
Denn die Österreicher haben offenbar ein Gespür dafür, dass für hohe
Positionen auch wirklich gute Leute vorgeschlagen werden sollen. Auch
wenn der Posten eines EU-Kommissars längst nicht so viel Sympathien
bringt wie der des Bundespräsidenten: Die Mehrheit hat wenig
Verständnis dafür, dass die SPÖ sich nicht einmal bemüht, einen
geeigneten Kandidaten zu finden.
Sie hätte auch kein Verständnis dafür, wenn sich die ÖVP_im nächsten
Jahr bei der Bundespräsidentenwahl zurückhielte - noch dazu, wo das
nach einer Art Abtausch zwischen Präsidentschaftskandidatur und
EU-Würden aussehen könnte. ÖVP-Chef Josef Pröll wird also
wahrscheinlich einen Kandidaten finden müssen - sein eigener Onkel
Erwin hätte durchaus Chancen.
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