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DER STANDARD-Kommentar "Nicht leicht zu enttäuschen" von Conrad Seidl

"Die Österreicher erwarten wenig von der Politik - aber das Wenige muss passen" - Ausgabe 2.1.2009

Wien (OTS) - Wunderdinge erwartet ohnehin keiner. Etwa dass ein Machtwort von Werner Faymann und Josef Pröll, möglichst gemeinsam ausgesprochen, die Krise der internationalen Autoindustrie beenden und die Arbeitsplätze in der österreichischen Zulieferindustrie beenden könnte. Man weiß: Das können auch die Machtworte von Politikern in Berlin, Tokio und Washington nicht.
Und man hat es recht gut im Gefühl: Politikermachtworte können in der Wirtschaft insgesamt nicht mehr viel bewirken - ob man diese Entwicklung nun schätzt oder ob man der Kommandowirtschaft nachtrauert. Für die Amtsträger selbst ist das ein heikler Balanceakt: Sie müssen einerseits eingestehen, nur sehr beschränkte Mittel zu haben, sie dürfen aber andererseits nicht hilflos wirken. In ihren ersten Wochen im Amt ist es Faymann und Pröll ganz gut gelungen, diese Balance zu halten.
Natürlich reizt es, für eine schnelle Schlagzeile gewisse Hoffnungen auf staatliche Wunderheilmethoden in die Welt zu setzen - aber ein kluges Abwägen hilft, sich zurückzuhalten und eben keine falschen Hoffnungen zu wecken. Denn die Enttäuschung käme rasch. Rasch genug, um die heuer anstehenden Wahlen zu einem Desaster für die in den Ländern durchaus noch als Großparteien auftretenden Koalitionspartner werden zu lassen.
Das können SPÖ und ÖVP am ehesten abwenden, wenn sie glaubhaft machen, dass sie das jeweils Bestmögliche machen. Leicht ist das ohnehin nicht: Bis zu den Wahlen in Kärnten und Salzburg bleiben zwei Monate. In diesen wird wohl noch die eine oder andere Pleitemeldung durch die Medien gehen. Zwei sicher nicht erfreuliche Arbeitsmarktberichte stehen ebenso an wie eine fundamentale Auseinandersetzung über die Konjunkturpakete und die Grundzüge der Steuerreform.
Viel Material für die Oppositionsparteien. Und es kommt noch mehr -und es kommt wahrscheinlich noch dicker: Bis zur Europawahl am 7. Juni wird das Budget für die Jahre 2009 und 2010 stehen und im Parlament diskutiert sein. Finanzminister Pröll hat schon angekündigt, dass es da massive Einsparungen wird geben müssen -deren Auswirkungen werden quer durchs Land zu spüren sein. Und dass die Konjunktur bis zum Herbst - wenn in Vorarlberg und in Oberösterreich gewählt wird - anspringt, wagt kaum jemand zu hoffen. Das geht auch aus der market-Umfrage des Standard zum Jahreswechsel hervor. Nur 18 Prozent der Österreicher erwarten, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr wieder anspringen wird. Auf einen Konjunkturaufschwung wird man noch länger warten müssen.
Die Österreicher haben da keine Illusionen - und viele haben sich auch irgendwie darauf eingestellt, dass sie in diesem Jahr die eine oder andere Ausgabe zurückstellen werden müssen, weil das Geld einfach nicht reicht.
Dem steht ein robuster Optimismus gegenüber - ein Zeichen dafür, dass viele die Aussicht auf schlechtere Zeiten schon mental verarbeitet haben. Das ist eine nicht ganz untypische Haltung, sie ist bei früheren Phasen der Einschränkung ebenfalls zu beobachten gewesen:
Selbst unter der ungeliebten schwarz-blauen Regierung, in der eine Konjunkturdelle und ein Bündel Sparprogramme gleichzeitig zu ertragen waren, erlangte das Nulldefizit als Politikziel erstaunliche Popularität.
Für Faymann und Pröll heißt das: Die Österreicher sind nicht leicht zu enttäuschen - weil sie ohnehin eine recht realistisch-bescheidene Erwartung haben. Die politische Führung kann nicht viel mehr tun, als das Vertrauen in die gar nicht so schlecht aufgestellte Wirtschaft und in den Fleiß der Österreicher stärken. Dann wird es auch Vertrauen in die politische Führung geben.

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