- 24.11.2008, 18:04:22
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DER STANDARD-Kommentar: "Eine schrecklich nette Regierung" von Michael Völker
"Eine brave Mannschaft tritt zur Verwaltung des Unambitionierten an"; Ausgabe vom 25.11.2008
Wien (OTS) - Claudia Bandion-Ortner ist Andrea Kdolsky.
Hoffentlich nicht. Aber es gibt doch erstaunliche Parallelen zur
Regierungsbildung im Jänner 2007: Die SPÖ hat sich über den Tisch
ziehen lassen, und die ÖVP hat eine lustige Quereinsteigerin.
Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer waren damals sehr stolz:
Schüssel auf die Reibungskraft, die entstand, als er Alfred
Gusenbauer über den Tisch zog und die Ressorts festlegte; Molterer
auf das Erstaunen, das er erzeugte, als er Kdolsky als neue
Gesundheitsministerin präsentierte. Ja, da hat er sich was getraut,
ungewöhnlich und originell war die Entscheidung, eine lustige Person
war diese Kdolsky, auch ein Sinnbild für die inhaltliche und
personelle Breite der Volkspartei.
Funktioniert hat das nicht. Kdolsky war schlichtweg überfordert,
inhaltlich und mit der Amtsführung, und das öffentliche Bild, das von
ihr gezeichnet wurde, war katastrophal - dank ihrer tatkräftigen
Mithilfe. Für die ÖVP wurde Kdolsky eine Belastung. Molterer hat
diese Entscheidung sicher bereut. Josef Pröll ist zu wünschen, dass
es ihm mit Bandion-Ortner anders ergeht. Manche werden die neue
Justizministerin als Richterin im Bawag-Prozess, in dem Helmut Elsner
in erster Instanz zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde,
wahrgenommen haben.
Mehr Leute werden die 41-Jährige aus den "Seitenblicke"-Formaten des
öffentlichen Fernsehens und der privaten Fernsehanstalten kennen. Das
ist zwar nicht unbedingt eine Empfehlung, aber auch kein
Hinderungsgrund. Die Frau ist nicht medienscheu, und Pröll wünscht
sich für sein Team offenbar ein wenig Glanz und Glamour. Er weiß, wie
wichtig in der öffentlichen Wahrnehmung die "Köpfe" sind, über die
man redet.
Abgesehen von der etwas schrillen Richterin fehlt dieser Regierung
der Glamour aber zur Gänze. Mit dem Abgang von Ursula Plassnik ist
der ÖVP-Mannschaft auch der einzige Quergeist abhanden gekommen.
Pröll wird über diesen Umstand erleichtert sein, das aber niemals
zugeben. Die Führung des schwarzen Teams ist jetzt sicher leichter
als vorher, und der lange Schatten eines Wolfgang Schüssel ist kürzer
geworden.
Sonst hat Pröll ein durch und durch braves, nahezu biederes Team:
Nikolaus Berlakovich wird ein anständiger Umweltminister sein,
Reinhold Mitterlehner ein kompetenter Wirtschaftsminister, Michael
Spindelegger ein bemühter Außenminister.
Was wirklich erstaunlich ist: dass im Finanzministerium gleich drei
Leute sitzen werden, die von Finanzen wenig Ahnung haben - Pröll als
zuständiger Minister und die beiden Staatssekretäre Andreas Schieder,
rot, und Reinhold Lopatka, schwarz. Hoffentlich können sie
delegieren.
Geht es um Glanz und Glamour, würde Werner Faymann sagen: Eine
Regierung ist zum Arbeiten da! Wo Pröll eine Bandion-Ortner in
Stellung bringt, da setzt Faymann auf Doris Bures, die siebenmal
loyal ist und dazu auch noch tüchtig. Die wird das
Infrastrukturministerium schon schaukeln und nebenbei darauf achten,
dass dem lieben Onkel Hans kein Stein aus der Krone fällt.
Sieht man sich das übrige Team auf der SPÖ-Seite an, könnte man
meinen, dass Faymann mehr Wert auf das Verwalten als auf das Arbeiten
legt: Ein Kassen-Mann für die Gesundheit, ein Gewerkschaftspräsident
für das Soziale -da sind keine mutigen Neuerungen zu erwarten. Es
wird ganz an Faymann und Pröll liegen, die Reformen, die im
Regierungsübereinkommen ja nur ansatzweise angedeutet sind,
einzufordern und umzusetzen.
Nur keinen Streit, worauf Faymann größten Wert legt, ist zwar ein
guter Vorsatz, aber kein Programm. Davon werden sich keine Wähler und
auch kein Heinz-Christian Strache beeindrucken lassen.
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