• 25.10.2008, 20:23:55
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Hat Marx gewonnen?" (Von Hubert Patterer)

Ausgabe vom 26.10.2008

Graz (OTS) - Heute ist Nationalfeiertag. Nach Feiern ist vielen
nicht zumute. An der Nation, am Staat liegt es nicht. Das Land hat,
geschichtlich gesprochen, zu sich selbst gefunden. Das Vertrauen in
die Nation ist bruchsicher. Sie hat keine Nebenbuhler. Der Glaube an
den Staat ist fest und stark, zu stark. Der Einzelne neigt dazu,
Freiheit und Verantwortung nach oben, an den Staat zu delegieren.
Vater Staat: Der Papa wird's schon richten.

Das freut die Staatsfrömmler. Sie wittern Morgenluft. Soeben hat der
Staat als Katastrophenschützer der Finanzwelt Krücken und Milliarden
zugeworfen. Der Markt wäre sonst nicht mehr auf die Beine gekommen.
Ganz Volkswirtschaften hätte er mit in den Abgrund gerissen.

Die staatliche Hilfeleistung war notwendig, aber sie muss befristet
bleiben. Der Staat darf sich nicht an die Stelle des Marktes setzen.
Er muss diesem Regeln vorgeben, damit die Maßlosigkeit und die Gier
Einzelner, begünstigt durch verrückte Entlohnungssystem, nicht noch
einmal die Allgemeinheit bedroht.

Niemand muss Marx exhumieren. Die Idee des freien Marktes hat nicht
versagt. Versagt hat ein defizitäres Regelwerk, für das letztlich der
Staat Verantwortung trug. Beim Immobilien-Fiasko war der US-Staat
Komplize. Er rief nach billigem Geld für Kredite, die ungesichert und
für Hausbesitzer, die mittellos waren.

So sehr sich der Staat als Schutzengel bewährt: Er bleibt ein
miserabler Unternehmer. Selbst wo er nicht über die Mehrheit der
Anteile verfügt, reicht sein Dilettantismus aus, um Unternehmen ins
Verderben zu steuern. Das Schicksal der AUA ist ein aktueller Beleg.

Noch trägt die Fluglinie die Farben des Landes, und wer in den
Maschinen Platz nimmt, wird mit Johann Strauß begrüßt. Doch die
Bänder leiern. Patriotismus und Nostalgie haben sich als untaugliches
strategisches Konzept erwiesen.

Auch das lehrt das AUA-Debakel: Trotzige Selbstbezogenheit ist
ruinös. Patriotisch sein heißt, selbstbewusst über die Grenzen hinaus
zu denken und zeitig Allianzen zu schmieden. Wer neutral der
Außenwelt fern bleibt, bleibt zurück. Das muss am Geburtstag des
Neutralitätsgesetzes sagbar sein.

Mit diesem Eskapismus lässt sich weder Zukunft bewältigen noch die
jetzige Krise, die wie eine Naturgewalt über die Wirtschaft
hereinbricht. Das Land ist stark und begabt genug, sich für den Sturm
zu rüsten und den Verwerfungen zu widerstehen. Eine Krise ist immer
auch eine Chance, sagen die Krisen-Theoretiker. Wenn das Mantra
stimmt, sollte man rasch aufhören, sich von der Angst versklaven zu
lassen - patriotischer Appell zum Tag. ****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung
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Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047
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