- 26.09.2008, 18:22:30
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DER STANDARD Kommentar "Der Retrowahlkampf" von Alexandra Föderl-Schmid
Keine neuen Themen, verstaubte Slogans, bekannte Gesichter: Zukunft sieht anders aus - Ausgabe vom 28./28.9.2008
Wien (OTS) - Es hätte so spannend werden können: Bundesweit treten
erstmals zehn Parteien zur Nationalratswahl an. Die Palette an
Möglichkeiten schien zu Sommerbeginn größer zu sein als bei
vergangenen Urnengängen. Jetzt, Ende September, verengen sich die
Perspektiven wieder. Der Grund dafür: Unterm Strich war es ein
Déjà-vu- und Retrowahlkampf.
Das zeigte sich schon bei den ersten Wahlplakaten: FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache recycelte schamlos Jörg Haiders
Wer-wenn-nicht-er-Sprüche. Die Plakate der ÖVP erinnerten an die
70er-Jahre und Werner Faymann versuchte sich als "die neue Wahl"
anzupreisen, obwohl er in der alten Regierung gesessen ist.
Allerdings ist der SPÖ-Spitzenkandidat im Vergleich tatsächlich fast
ein Greenhorn auf dem bundespolitischen Parkett.
Grünen-Spitzenkandidat Alexander Van der Bellen kann inzwischen den
Titel politischer Methusalem Österreichs beantragen. Die Liberalen
haben noch einmal Heide Schmidt in die Wahl geschickt, weil sie
schlicht niemand anderen haben. Dass sie nach so vielen Jahren wieder
auf Jörg Haider trifft, verstärkt nur den Eindruck, dass sich Politik
und die Personen, die sie vertreten, wiederholen. Haiders Comeback
gehört zu den wenigen Überraschungen dieses Wahlkampfes. Und im
Vergleich zu Haider sah Strache insbesondere in den
TV-Konfrontationen alt aus.
Dass das so genannte dritte Lager wieder erstarkt ist, gehört
ebenfalls zu den Fakten dieses Wahlkampfes. Vor allem Haider hat es
-wieder einmal - verstanden, sich geschickt als Zünglein an der Waage
zu präsentieren und zu inszenieren. Die politischen Beobachter haben
tagelang über das Abstimmungsverhalten der BZÖ-Abgeordneten im
Nationalrat gerätselt. Wer die Berichterstattung in den
Boulevardblättern verfolgte, musste fast den Eindruck gewinnen, dass
das Schicksal dieser Republik - und nicht nur Faymanns
Fünf-Punkte-Plan - von dieser Kärntner Regionalpartei abhänge. Wie in
den 90er Jahren buhlten SPÖ und ÖVP um die BZÖ-Stimmen und ließen
sich vor Haiders Karren spannen.
Auch bei den Wahlkampfthemen gab es nichts Neues. Die SPÖ hat den
Klassenkampf wiederentdeckt und folgerichtig einen Feldzug gegen die
Teuerung geführt. Damit ist es ihr gelungen, jenes Thema zu setzen,
das diesen Wahlkampf dominiert hat. Durch die von Faymann
vorgenommene Änderung der Europapolitik hat sie sich von einer
weltoffenen Haltung, die Franz Vranitzky vertreten hat, verabschiedet
und ist auf den von Kronen Zeitung und FPÖ vorgegebenen Kurs
eingeschwenkt.
Auch die ÖVP hat Anleihen an früheren FPÖ-Wahlkämpfen genommen. Ihre
Slogans ("Sichere Heimat - Ohne Deutschkurse keine Zuwanderung")
unterscheiden sich durch das Parteilogo aber nicht vom Inhalt von
Parolen der Parteien am rechten Rand.
Die politischen Forderungen der Grünen und des Liberalen Forums
schienen aus dem Ablageordner genommen und nicht entstaubt worden zu
sein. Auch die anderen Kleinparteien boten in diesem Wahlkampf nichts
wirklich Neues: nur die Bedienung ihrer Klientel (Christen, Rettö)
oder altbekannte Umverteilungsfloskeln (KPÖ, Fritz).
Dass erstmals 16-Jährige bei einer Nationalratswahl wählen dürfen,
scheint keiner der wahlwerbenden Gruppen aufgefallen zu sein.
Stattdessen ist im Nationalrat diese Woche ein Seniorenpaket mit
einer beträchtlichen Einmalzahlung, der Verlängerung der
Hacklerregelung und der Gewährung von Heizkostenzuschüssen einstimmig
beschlossen.
Das passt zum Abschluss dieses Wahlkampfes: Retro statt Zukunft.
Rückfragehinweis:
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