"KURIER"-Kommentar von Anneliese Rohrer: "Denn sie wissen nicht, was sie tun (sollen)"
Der Wahlkampf brachte für die Wähler bisher mehr Verwirrung als Klarheit.
Wien (OTS) - Ginge es knapp zwei Wochen vor dem Urnengang nach der sogenannten Quassel-Schicht, also jenen politisch interessierten Kreisen, die eine Meinung so lange bereden, bis sie alle für Information halten, dann hätten Werner Faymann und die SPÖ den Wahlsieg in der Tasche. Laut Buchmachern wird darauf bereits am häufigsten gewettet.
Doch die Ergebnisse der aktuellen KURIER-Umfrage zeigen ein anderes Bild; vor allem eines, das im Laufe des bisherigen Wahlkampfs zu einem verwirrenden Bilderrätsel geworden ist.
Werner Faymann hat zwar in allen Fragen außer jener nach der Glaubwürdigkeit gegenüber Juli aufgeholt, der ÖVP davonziehen konnte er nicht. Die SPÖ kommt nicht von der Stelle. Kurios in diesem Zusammenhang: Bei aller Dramatik des SPÖ-Führungswechsels, des Koalitionsbruchs, des Fünf-Punkte-Programms der SPÖ hat Faymann noch immer einen geringeren Bekanntheitsgrad als LIF-Spitzenkandidatin Heide Schmidt nach neun Jahren Abstinenz in der Innenpolitik.
Der Wähler darf nun entscheiden, was dies über ihn selbst, über Faymann oder über Schmidt aussagt.
In dem Vexierbild namens Wahlkampf gibt es zwei auffallende Fixpunkte: Erstens sind die Grünen und Alexander van der Bellen - von welcher Seite immer betrachtet - auf der Verliererstraße. Sie haben gegenüber Juli merklich abgebaut.
Dennoch werden sie für die bevorzugten Regierungsformen als Wunschpartner genannt. Dabei scheint es den Befragten gleichgültig zu sein, ob dies eine SPÖ- oder ÖVP-geführte Regierung wäre, solange nur die Grünen und das Liberale Forum dabei wären. Zweitens kommen die beiden verfeindeten Schwesterparteien FPÖ und BZÖ bei allen Zugewinnen an Sympathie, Glaubwürdigkeit etc. nicht aus ihrer Schmuddelecke heraus. Ihre Regierungsbeteiligung gehört zu den unbeliebtesten Varianten.
Da hat sich der befragte Wähler wohl selbst ein grün-gelbes-blau-oranges Bilderrätsel gemalt. Das muss ihm irgendwie bewusst sein. Bei aller Ablehnung einer Neuauflage von Rot-Schwarz würde er nämlich einer Regierung von SPÖ/ÖVP oder umgekehrt mit zugehaltener Nase noch immer den Vorzug geben, wäre keine andere möglich - obwohl das Stimmungsbarometer eindeutig auf "Change", also Wechsel steht.
Diese Stimmung dürfte laut Umfrage auch erklären, warum die ÖVP als sympathischer eingestuft wird als die SPÖ und warum sie bei der Frage nach der Regierungsverantwortung besser abschneidet, ihr Spitzenkandidat Wilhelm Molterer aber seit Juli in allen Kategorien an Zustimmung verloren hat.
Noch erkennt man keine klaren Konturen, was die Führung betrifft. Ein unvorhersehbarer Schachzug im restlichen Wahlkampf oder auch ein dramatisches internationales Ereignis (Stichwort: Börsenkrach) könnte am Abend des 28. September ein völlig anderes Bild als die heutige Momentaufnahme ergeben.
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