"Kleine Zeitung" Kommentar: "In Amerika entscheidet der Bauch die Wahl, nicht der Kopf" (Von Sonja Hasewend)
Ausgabe vom 18.8.2008
Graz (OTS) - Der Glaube kann trennen, er kann aber auch vereinen. Barack Obama und John McCain, die Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und der Republikaner, trennt vieles. Doch eines eint sie:
Sie kommen nicht besonders gut an bei einer der wichtigsten US-Wählergruppen, den strenggläubigen Christen. Und da beide das ändern müssen, haben sie erstmals einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt zugestimmt. In einer Kirche.
Bizarr mutet es für es für das europäische Verständnis von Wahlkampf an, wenn ein Prediger die Kandidaten für das mächtigste politische Amt auf ihre Gesinnung testet - nicht nur zum Glauben, auch zu verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Themen. Doch der Massenprediger Rick Warren hat gleich zu Beginn des Spektakels klargestellt: Er glaube an die Trennung von Staat und Kirche, aber nicht an jene von Glauben und Politik.
Warren ist mächtig und er weiß das, genauso wie die 23.000 Mitglieder seiner Kirche und Millionen anderer strenggläubiger Amerikaner. Und so sind Obama und McCain angetreten, um die Stimmen dieser Wähler zu gewinnen. Es war ein live übertragenes Großereignis. Eine Inszenierung, wie sie Obama eigentlich mag, denkt man an seine Rede vor der Berliner Siegessäule.
Doch der gestrige Auftritt hat nicht nur gezeigt, wo der Amerikaner Herz schlägt, sondern ebenso, dass auch deren Bauch angesprochen werden muss, wenn man sie für sich gewinnen will. Das ist John McCain besser gelungen. Exemplarisch hat sich gezeigt, dass Obama, so charismatisch er auch ist, gerade bei dieser Klientel nicht punkten konnte.
Er ist nicht nur für viele zu progressiv, er ist auch intellektuell und verbirgt es nicht. Wie sein Kontrahent nahm er Stellung zu heiklen Themen wie Abtreibung oder gleichgeschlechtlicher Ehe, doch anders als McCain hat Obama unklare Antworten gefunden. Er malte weniger Schwarz und Weiß, zeigte mehr Nachdenklichkeit statt demonstrativer Entschlossenheit.
McCain hatte mehr vom "Yes, we can" (Ja, wir können), das eigentlich Obamas Wahlspruch ist: Abtreibung? - Nein. Homo-Ehe? - Sicher nicht. Das Böse? - Sitzt in Afghanistans Bergen und muss besiegt werden. McCain malte klare Bilder, Obama gab sich intellektuell verwinkelt. Zu indifferenziert und zu verwinkelt für viele Amerikaner. McCain sprach dagegen mit einfachen Wahrheiten das Bauchgefühl an.
John McCains Auftritt in der Kirche hat einmal mehr gezeigt, dass ein Sieg des europäischen Hoffnungsträgers Barack Obama noch alles andere als klar ist.****
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