- 19.06.2008, 09:00:00
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Reformoptionen zur Wettbewerbspolitik in Österreich
Wien (WIFO) - Mit der Kartell- und Wettbewerbsrechtsnovelle 2002
wurde die wettbewerbspolitische Institutionenstruktur in Österreich
an den europäischen Standard herangeführt, ohne allerdings auf
spezifische Austriaca zu verzichten. In den sechs Jahren seither
zeigten sich in der Praxis beträchtliche Möglichkeiten zur
Optimierung des Systems. Das WIFO hat fünf konkrete Reformoptionen
mit hoher Umsetzungsrelevanz identifiziert. Im Zentrum der Vorschläge
stehen eine institutionelle Reorganisation durch eine Aufwertung der
Bundeswettbewerbsbehörde und eine Neupositionierung der
Wettbewerbskommission, die "Nachschärfung" des
Ermittlungsinstrumentariums im kartellrechtlichen
Missbrauchsverfahren sowie die Etablierung einer vorausschauenden
Wettbewerbspolitik auf der Grundlage eines quantitativen
Wettbewerbsmonitorings.
Seit 1. Juli 2002 sind zusätzlich zu dem in erster Instanz
entscheidenden Kartellgericht die Bundeswettbewerbsbehörde und der
Bundeskartellanwalt als Aufgriffsbehörden in Kartellverfahren
eingerichtet. Die Wettbewerbskommission ist der
Bundeswettbewerbsbehörde als Beratungsgremium beigeordnet.
Reformoption 1: Einführung der Umkehr der Beweislast in
kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren
Marktmachtmissbrauch ist in der Praxis äußerst schwierig zu
identifizieren und noch schwieriger erfolgreich gerichtsfest zu
beweisen. Deshalb empfiehlt das WIFO in seinem jüngsten Monatsbericht
die Einführung der Beweislastumkehr in Missbrauchsverfahren nach
deutschem Vorbild (§ 29 GWB). Die Stellung der Wettbewerbsbehörden in
Missbrauchsverfahren würde durch diese Maßnahme wesentlich gestärkt
und die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht substantiell
nachgeschärft.
Reformoption 2: Zusammenführung von Bundeswettbewerbsbehörde und
Bundeskartellanwalt zu einer einzigen umfassend zuständigen
Wettbewerbsbehörde
Durch die Kartell- und Wettbewerbsrechtsnovelle 2002 wurde in der
österreichischen Kartellbehördenorganisation ein Mischsystem von
Zivilgericht und Verwaltungsbehörde geschaffen. Um das System zu
optimieren, sollte die kartellrechtliche Institutionenstruktur
weiterentwickelt und eine einzige umfassend zuständige
Wettbewerbsbehörde geschaffen werden, wie sie dem europäischen
Standard entspricht. Die im Regierungsprogramm akkordierte und
inzwischen ins Stocken geratene Zusammenführung von
Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwalt sollte deshalb zügig
umgesetzt werden.
Reformoption 3: Neupositionierung der Wettbewerbskommission als
eigenständiges Expertengremium
Die Wettbewerbskommission sollte nach dem Vorbild der deutschen
Monopolkommission als unabhängiges Expertengremium neu positioniert
werden, das sich losgelöst vom Tagesgeschäft der
Bundeswettbewerbsbehörde auf die wettbewerbsrechtlichen
Grundlagenarbeit konzentriert. Die Aufgabe, Gutachten zu allgemeinen
wettbewerbspolitischen Themen zu erstellen, die den Haupt- und
Sondergutachten der deutschen Monopolkommission vergleichbar sind,
wäre auszubauen. Dazu sind eigene Finanzressourcen erforderlich.
Reformoption 4: Übertragung des erstinstanzlichen Entscheidungsrechts
in Kartellverfahren an die Bundeswettbewerbsbehörde
Das Kartellgericht wurde durch die Kartellrechtsreform 2002 in
seiner Rolle als erste Entscheidungsinstanz belassen. Österreich
nimmt hier wie Irland eine Sonderstellung in der EU ein - in allen
anderen EU-Ländern kommt der nationalen Wettbewerbsbehörde auch das
erstinstanzliche Entscheidungsrecht zu. Diese bewährte europäische
Standardkonstruktion sollte auch in Österreich übernommen werden.
Reformoption 5: Implementierung einer vorausschauenden
Wettbewerbspolitik auf der Grundlage eines transparenten
quantitativen Wettbewerbsmonitorings
Das WIFO empfiehlt, in Österreich eine proaktive und investigative
Wettbewerbspolitik nach dänischem Vorbild zu implementieren, die alle
Wirtschaftszweige einem objektiven und transparenten quantitativen
Wettbewerbsmonitoring unterzieht.
Auf der Grundlage einer wettbewerbsökonomischen Datenbasis sollte
die neu positionierte Wettbewerbskommission (Reformoption 3)
jährliche Berichte über die Wettbewerbssituation in der
österreichischen Wirtschaft vorlegen, die den Hauptgutachten der
deutschen Monopolkommission vergleichbar sind.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht
6/2008!
Rückfragehinweis:
Dr. Michael Böheim
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-227 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Michael.Boeheim@wifo.ac.at
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