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"Offener Brief" an Herrn Bundesminister Dr. Martin BARTENSTEIN

Kommunale Unternehmen formulieren Anliegen zum kommenden EU-Ministerrat

Wien (OTS) - Sehr geehrter Herr Bundesminister!

Der Vorstand des Verbandes kommunaler Unternehmen Österreichs (VKÖ) befasste sich in seiner heutigen 47. Vorstandssitzung und anschließend abgehaltenen 15. Ordentlichen Mitgliederversammlung, eingehend mit energiewirtschaftlichen und -politischen Zukunftsfragen und erlaubt sich, Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, den Standpunkt des Verbandes zum "Dritten Energiepaket der EU" noch vor dem EU-Energieministerrat zur Kenntnis zu bringen.

Einleitend darf der VKÖ zu dieser Materie an seine bereits am 30. Oktober 2006 in Brüssel (VKÖ-Forum) gesetzte Initative zum Thema "Ownership Unbundling" erinnern und im Anschluss daran nochmals seiner Freude Ausdruck geben, dass die dort grundsätzlich formulierten Überlegungen bzw. das vorgelegte Diskussionspapier auch Eingang in die Positionierungen Ihres Ministeriums gefunden haben. In weiterer Folge waren die Diskussionen mehr oder minder auf die Übertragungsnetzbetreiber fokussiert, daneben sollte aber das breite Spektrum der Verteilnetzbetreiber nicht außer Acht gelassen werden, weil auch hier regulatorische Maßnahmen aus Brüssel zum Tragen kommen würden.

Der Inhalt des am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichneten Vertrags von Lissabon als politische Einigung, darf als bekannt gelten, er beinhaltet ein eigenes Energiekapitel, in dem für die europäische Energiepolitik Zielbereiche formuliert sind, nämlich

  • Funktionieren der Energiemärkte
  • Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit
  • Förderung der Energieeffizienz sowie Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen
  • Förderung der Interkonnektion der Energienetze

Im Interesse seiner Mitglieder darf der VKÖ dazu detaillierter anführen, wobei wir bestrebt sind, einige Kernpunkte anzusprechen, dies ohne Anspruch auf Vollzähligkeit:

Hinsichtlich der Energiemärkte ist festzuhalten: Für die von der EU angestrebte Einrichtung grenzüberschreitender Marktregionen ist eine Harmonisierung aller Datenaustauschprozesse (zwingend) erforderlich. Sie bildet für Ablaufmanagement, Clearing, Abrechnung, Lieferantenwechsel u. a. die Grundvoraussetzung. Diese Abläufe wurden vor der Liberalisierung des Strommarktes in Österreich im Jahr 2001, von den Netzbetreibern gestaltet und bilden seither die Grundlage der Marktregeln der Regulierungsbehörde, und damit für den friktionsfrei funktionierenden liberalisierten Markt in Österreich. Dies wurde schon mehrfach von internationalen Institutionen anerkannt. Da diese abgestimmten Datenaustauschprozesse in anderen EU-Mitgliedstaaten entweder fehlen oder in ganz anderer Form bestehen, wird die Einführung grenzüberschreitender Marktregionen überhaupt behindert.

Bezüglich der Energieversorgungssicherheit sollen die Pflichten der nationalen Regulierungsbehörden praxisgerecht gestaltet und ggf. nachjustiert werden. Die Aufgaben der Regulierungsbehörde sollen (dürfen) nicht mit den Aufgaben der Wettbewerbsbehörde vermengt werden. Auf keinen Fall darf die Regulierungsbehörde, wenn kein Verstoß gegen den Wettbewerb besteht, Maßnahmen anordnen; dies würde eine willkürliche Regulierung bedeuten. Das Handeln der Kommission in Richtung einer näheren Bestimmung der Befugnisse durch Leitlinien, kann nicht zulässig sein. Denn dadurch bestünde die Möglichkeit für die Kommission, in innerstaatliche Befugnisse über den Aufbau und die Zuständigkeit von Behörden einzugreifen. De jure besteht keine europäische Kompetenz zur Regelung der innerstaatlichen Organisation von Behörden.

Bei der Förderung der Energieeffizienz ist prinzipiell festzuhalten, dass Netzverluste sowohl in Übertragungsnetzen als auch in Verteilernetzen verursacht werden, grundsätzlich wäre deren Gleichstellung konsensfähig. Einem Konzern eine gemeinsame Marken-und Kommunikationspolitik zu untersagen, scheint zu weit gegriffen und auch nicht im Sinne der Konsumenten, schließlich soll die Entflechtung Diskriminierungen vermeiden. Auch ist ein Zusammenhang zwischen einer gemeinsamen Marktpolitik und einem diskriminierungsfreien Verhalten des Netzbetreibers nicht erkennbar. Die Entflechtung der österreichischen Verteilnetzbetreiber ist auf der Basis der österreichischen Gesetzgebung (ElWOG) vorgenommen worden. Also wäre es eine gravierende Änderung, wenn die österreichischen Gesetze durch Recht setzende Akte der Kommission umformuliert würden.

Zur Förderung der Interkonnektion der Energienetze muss etwas weiter ausgeholt werden. Es darf keinesfalls die Gefahr bestehen, dass bei diesbezüglichen Vorschlägen die Kosten-Nutzen-Relation außer Acht gelassen wird, vielmehr sollen die Vorschläge den Unternehmen die Möglichkeit einräumen, zusätzlichen Service zu offerieren. Dies würde auch den Intentionen eines marktwirtschaftlich organisierten Marktes entgegen kommen, in dem sich Unternehmen durchaus mit besonderen Dienstleistungen unterscheiden können. Weder sachgerecht noch vertretbar erscheint es aber, alle Unternehmen gleichsam zu Maßnahmen zu verpflichten, die einerseits finanziell und organisatorisch extrem aufwändig wären, und von den Kunden auch gar nicht gewünscht werden. Wie die Erfahrung in Österreich zeigt, besteht eine extrem niedrige Wechselbereitschaft der Kunden, woraus abzuleiten ist, dass das über Jahrzehnte aufgebaute Vertrauen in Lieferbereitschaft und Zuverlässigkeit der Stadtwerke und der kommunalen Unternehmen überhaupt, einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir dürfen unser Schreiben als Beitrag einer wesentlichen Gruppe der Energieversorgungswirtschaft zur Unterstützung Ihrer Bestrebungen im Interesse der österreichischen Energiewirtschaft sowie der Kunden und Kundinnen im Sinne der allgemein als unverzichtbar angesehenen Bemühungen um eine sozial verträgliche Daseinsvorsorge betrachten und Sie bitten, unseren Überlegungen Raum zu geben. Unsere grundsätzliche Position bezüglich Ownership Unbundling haben wir schon mehrfach formuliert, die obigen Ausführungen sollen einer Verdeutlichung unseres Standpunktes in Hinblick auf die Lissabon-Strategie dienen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

VERBAND KOMMUNALER UNTERNEHMUNGEN ÖSTERREICHS

Gerhard GREINER DI Friedrich PINK Geschäftsführer Präsident Rückfragehinweis:

Verband kommunaler Unternehmen Österreichs (VKÖ) greiner@vkoe.at
Tel.: 0676 / 934 82 53

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