Mehr als 1500 Teilnehmer beim Krisengipfel der Wiener Ärzteschaft
Dorner: "Mehr Zusammenhalt denn je zuvor" - Vollmachten für den Fall eines vertragslosen Zustands präsentiert
Wien (OTS) - Mehr als 1500 Ärztinnen und Ärzte bekundeten am Dienstagabend beim "Krisengipfel der Wiener Ärzteschaft" im Austria Center Vienna (ACV) ihre volle Unterstützung für weitere Protestmaßnahmen der Ärztekammer gegen die von der Regierung geplante Gesundheitsreform. "Die politischen Entwicklungen schweißen unsere Berufsgruppe mehr zusammen als je zuvor - dieser Zusammenhalt ist für die weiteren Aktionen dringend notwendig", so Ärztekammerpräsident Walter Dorner in einer ersten Stellungnahme im Anschluss an die Veranstaltung. ****
"Um auf den 'worst case', nämlich das Zustandekommen des Gesetzes zur geplanten Gesundheitsreform", vorbereitet zu sein, präsentierte die Ärztekammer eine Vollmacht, mit der der Arzt die Standesvertretung ermächtigt, für den Fall des vertragslosen Zustands Direktverrechnungsverträge mit der Wiener Gebietskrankenkasse auszuverhandeln und in seinem Namen abzuschließen. Diese Maßnahmen sei notwendig geworden, weil der aktuelle Gesetzesentwurf - trotz gegenteiliger Versprechen Kdolskys im Rahmen der 15a-Vereinbarung -Einzelverträge, Teilkündbarkeit und befristete Neuverträge mit Ökonomie-Auflagen beinhalte. "Das kommt heraus, wenn sich die Gesundheitsministerin nicht genügend kümmert und daher die Sozialpartner mit der Planung einer 'Gesundheitsreform' beauftragt werden müssen", so Dorner.
Keine Knebelverträge für die Ärzte
"Als Signal an die Politik, dass wir uns keinen Knebelverträgen unterwerfen", setzte der Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, Johannes Steinhart, als erster seine Unterschrift unter die Vollmacht. Zahlreiche Ärztinnen und Ärzte folgten noch im ACV seinem Beispiel und nutzten zugleich auch die Gelegenheit, die unterschriebene Vollmacht wieder der Standesvertretung auszuhändigen.
Auch die niederösterreichischen Ärztinnen und Ärzte wurden aufgerufen, diesem Beispiel zu folgen. Deren Standesvertretung steht ebenfalls hinter dieser Maßnahme und plant eine ebensolche Umsetzung in Niederösterreich.
Kritik übt Steinhart vor allem an den geplanten Ökonomie-Auflagen. "Per Gesetz will man uns dazu verdonnern, künftig nur mehr 'effizient' zu arbeiten, was in der Sprache der Gesundheitsökonomen nichts anderes bedeutet, als dass wir am Patienten sparen und rationieren sollen."
Manche Politiker stellten sich dies so vor, dass es eine Art "Norm-Doktor" mit dem Indexwert 100 gebe. Dieser schreibe nur mehr wenige Überweisungen, spare bei guten Medikamenten und bei jenen Patienten, die das System aufgrund schwerwiegender Erkrankungen über die Maßen belasten. "Dieser Norm-Doktor wird der Held der Politik", so Steinhart. All jene jedoch, die von der Norm abweichen, würden in Zukunft ihren Kassenvertrag verlieren.
Angestellte Ärzte ebenfalls massiv betroffen
Die Gesundheitsreform würde zwar vordergründig die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen treffen, doch auch die angestellten Ärztinnen und Ärzte seien massiv betroffen, betonte zudem Ärztekammer-Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte, Thomas Szekeres. Die Regierungspläne würden eine Reduktion der Kassenärzte zur Folge haben. "Das wird zu einem noch größeren Patientenansturm auf die Ambulanzen führen", befürchtet Szekeres. "Nicht nur, dass dies unglaubliche Mühen für die Patienten bedeutet, auch die Spitäler müssen sich damit auf zusätzliche Mehrkosten einstellen." In Zeiten, in denen die dort Beschäftigten ohnehin schon mit Arbeitszeiten von 72 Stunden und mehr pro Woche heillos überlastet seien, sei dies "völlig unvorstellbar".
Bei diesen Zuständen sei es durchaus nachvollziehbar, dass immer mehr Jungmediziner ins Ausland abwanderten, "wo bessere Verträge, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und bessere Karrierechancen auf sie warten", betonte Szekeres, der zugleich davor warnte, dass mit der Gesundheitsreform eine Entwicklung - ähnlich wie in Deutschland -auch auf Österreich zurolle. "Mehrkosten für den Patienten und ganze Landstriche, in denen die Gesundheitsversorgung nicht mehr gewährleistet ist - die Konsequenzen werden gravierend sein", so der Vizepräsident. (kp)
(SERVICE - Großdemonstration der österreichischen Ärzteschaft am 3. Juni 2008 in Wien: Treffpunkt um 10.00 Uhr am Stock-im-Eisen-Platz; ab 11.00 Uhr findet eine Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt statt, bei der auch die Unterschriftenlisten der PatientInnenbegehren der Ärztekammern für Wien, Oberösterreich und der Steiermark an Bundeskanzler Alfred Gusenbauer übergeben werden sollen.)
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