Die verlogene Debatte um den Benzinpreis
"Presse"-Leitartikel, vom 28. Mai 2008, von Franz Schellhorn
Wien (OTS) - Den Grünen und dem Umweltminister ist an der Tankstelle offenbar das Herz in die Hose gerutscht.
Wer täglich einige Kilometer an seinen Arbeitsplatz pendelt und sein Warmwasser mit Heizöl zubereitet, wird sich vermutlich freuen, wenn sich besorgte Landeshauptleute zusammentun, um etwas gegen explodierende Sprit- und Heizölpreise zu unternehmen. Etwa indem sie vom Staat einen Preisstopp für Treibstoffe fordern und an den Finanzminister appellieren, die Steuern auf Benzin und Diesel endlich abzusenken.
Nun ja, bevor der Staat wieder alles in Ordnung bringt, indem er die Preise reguliert, wollen wir noch einmal Folgendes festhalten: Der Umstand, dass Treibstoffe heute derart teuer sind, hat sehr viel mit der Politik der jüngeren Vergangenheit zu tun. Jahrelang legten sich besorgte Volksvertreter ins Zeug, um die Bürger davon zu überzeugen, dass höhere Treibstoffpreise dringend notwendig wären, weil wir andernfalls nie lernen würden, schonender mit endlichen Ressourcen umzugehen.
Eine Argumentation, die ja auch einiges für sich hat. Wer tatsächlich die Abhängigkeit von erdölproduzierenden Schurkenstaaten reduzieren und dabei auch noch für deutlich bessere Luft sorgen will, weiß, dass dies nur mit hohen Preisen zu machen ist. Dieser Logik folgend wurden die Steuern von der Staatshand kräftig nach oben geschraubt, um Treibstoffe künstlich zu verteuern. Knapp die Hälfte der Tankrechnung schnappt sich heute auch nicht der böse Herr Ölscheich aus dem fernen Orient, sondern der freundliche Herr Finanzminister aus Wien.
Bei niedrigen Preisen ist eine exzessive Besteuerung von Ressourcen freilich eine vergleichsweise bequeme Veranstaltung. Wer wollte sich schon darüber aufregen, wenn bei Preisen von einem Euro je Liter im Namen der Umwelt "ein paar Cent" abgezweigt werden? Ist ja schließlich für einen guten Zweck. Bei 1,40 Euro je Liter Diesel sieht die Sache schon etwas anders aus: Da wollen die Preistreiber von gestern mit den teuren Treibstoffen von heute plötzlich nichts mehr zu tun haben. Der Grund dafür ist ziemlich banal: Sie scheuen die Konfrontation mit dem "armen Pendler", der sich die Fahrt in die Arbeit plötzlich kaum noch leisten kann.
Weshalb nun Vertreter fast aller Parteien sich selbst dazu aufrufen, den leidenden Bürgern doch endlich unter die Arme zu greifen - um sie von der hohen Last der Treibstoffpreise zu befreien, die ihnen dieselben Parteien geschultert haben. Jene Steuern, die bewusst erhöht wurden, um die offensichtlich unmündigen Bürger zu einem sparsameren Umgang mit Erdöl zu bewegen, sollen jetzt, wo die Preise wirklich beginnen wehzutun, wieder zurückgenommen werden.
Womit zumindest einmal geklärt wäre, dass es den jeweiligen Regierungen zu keinem Zeitpunkt um den Schutz der Umwelt ging. Die massive Besteuerung des Fortbewegungsmittels Auto kannte immer nur ein Ziel: neue Mittel zur Finanzierung des Fürsorgestaates aufzutreiben. Mittlerweile kassiert der Steuerstaat von den Autofahrern knapp fünf Milliarden Euro im Jahr. Eine Summe, die keineswegs in die Erforschung neuer Technologien zur Energiegewinnung gesteckt wird, sondern irgendwo im Staatshaushalt verschwindet. Zum Beispiel, um ein Gesundheits- und Pensionssystem zu finanzieren, das wir uns eigentlich längst nicht mehr leisten können.
Während einige Landeshauptleute die Absenkung der Preise fordern, ist es in den Reihen der Umweltschützer auffallend still geworden. Das gilt vor allem für die Grünen. Die Rufe nach niedrigeren Steuern auf Benzin und Diesel lösen dort nicht einmal einen schüchternen Protest aus. Schweigen im Walde. Wer will da schon den Landeshauptleuten vorwerfen, sich in peinlichem Populismus zu üben, wenn selbst den Grünen das Herz in die Hose rutscht? Dasselbe gilt übrigens auch für Umweltminister Josef Pröll (ÖVP), dem es offenbar auch die Sprache verschlagen hat.
Nun ist es nicht so, dass diese Zeitung zwei Euro teuren Treibstoff für die Lösung aller ungelösten Energie- und Umweltprobleme hielte. Wer aber wie die Grünen meint, der Öffentlichkeit vorschwatzen zu müssen, dass der Abschied vom Erdöl bis zum Jahr 2020 realistisch sei, sollte sich schön langsam aus der Deckung wagen. Und sich den Wählern mit einer klaren Botschaft stellen: "Ja, wir sind diejenigen, die stets für teuren Sprit eingetreten sind. Und wir bleiben dabei:
gerade jetzt, wo es den Autofahrern wehtut. Weil es wehtun muss, wollen wir nicht dauerhaft am Öltropf hängen."
Also, Herr Van der Bellen: Nur Mut. Es wird schon nicht so schlimm werden.
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