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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Verlogene Diskussion um Atomkraft - von Esther Mitterstieler

Unser Dilemma: Keiner will zurückschrauben

Wien (OTS) - Strom hat kein Mascherl, also ist auch die Diskussion über Sinn oder Unsinn des Einsatzes von Atomenergie eine verlogene. Österreich importiert seit Jahren indirekt Atomstrom und profitiert davon. Allein: Das traut sich natürlich keiner offiziell zu sagen. Schon gar nicht kann man auf offizielle Statistiken verweisen, weil allein das Wörtchen Atom so verpönt zu sein scheint, dass eine Präsenz von einigen Prozent an Atomstrom gerne verschwiegen wird. Es ist ganz einfach: Durch die Stromleitungen fließt Atomstrom genauso wie jener aus erneuerbaren Energiequellen. Da kann es kein Mascherl geben.

Mittel- bis langfristig will Österreich seinen Anteil an erneuerbaren Energien - dazu zählen laut e-Control Wind, Sonne, Biomasse/Abfall und Erdwärme - massiv in die Höhe schrauben. Warum denkt eigentlich hierzulande keiner an den Einsatz von Atomstrom? Warum ist Zwentendorf immer noch ein Tabu? Berechnungen zeigen: Zwentendorf würde von der Kapazität her fast genauso viel Strom liefern wie das nun geplante Gas-Wasserkraftwerk in Mellach. Der kleine Unterschied:
Zwentendorf liefert null CO2-Ausstoß. Damit würde sich der Umweltminister auch um einiges leichter tun, die Kyoto-Ziele zu erreichen und den Ausstoß umweltschädlicher Treibhausgase zu verringern. Grundvoraussetzung müssten natürlich die Sicherheitsvorkehrungen sein.

Dass Italien nach 21 Jahren zur Kernkraft zurückkehrt, weil der Hunger nach billigerer Energie nicht zu stillen ist, zeigt das Dilemma unserer Gesellschaft insgesamt: Wer will schon zurückschrauben, wenn es um den Konsum, auch den elektrischen, geht? Kein Privater, und Unternehmen schon gar nicht. Die müssen produzieren, um in der globalisierten Welt überleben zu können. Die Begründung der italienischen Regierung: Die derzeit extrem hohen Energiekosten könnten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Auch das italienische Beispiel zeigt, wie verzerrt das Bild der Gesellschaft ist. 1987, also ein Jahr nach Tschernobyl, stimmten rund 70 Prozent der Italiener bei einem Referendum gegen den Einsatz von Atomenergie. Heute importiert Italien mehr als die Hälfte seiner Energie aus französischen Atomkraftwerken. Daher der Schluss der Regierung: Das können wir auch selbst machen.

Hierzulande greift kein Politiker das leidige Thema an. Aus der Wirtschaft gibt es genügend Befürworter, offiziell traut sich keiner zu sagen, was offensichtlich scheint: Wenn wir so weiter machen, wird kein Weg um das Thema herumführen. Das Kyoto-Ziel wäre schneller erreicht und die Energie billiger. Wir sollten uns zumindest die Tür offen halten.

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