- 30.04.2008, 09:47:26
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ExpertInnen fordern Aufstiegsmöglichkeiten für die 2. Generation
150 Interessierte diskutierten über Gegenwart und Zukunft von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Wien (OTS) - Am 29. April ging im wienXtra-institut für
freizeitpädagogik die Tagung "Verkehrte Bilder" über die Bühne. Die
Veranstaltung stellte die Lebensrealitäten von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund in den Mittelpunkt und setzte sich das Ziel,
Klischees und Vorurteile zu hinterfragen und die Rolle der
Mehrheitsgesellschaft kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das
Interesse war groß, die Veranstaltung schon frühzeitig ausgebucht.
150 BesucherInnen debattierten mit ExpertInnen über Themen wie
Bildung, Arbeit, Integration, Religion, Kultur und Emanzipation und
entwickelten gemeinsam Strategien für die Zukunft. Als
HauptreferentInnen am Podium waren Barbara Herzog-Punzenberger,
Mouhanad Khorchide und Bülent Öztoplu.
Bildung ist wichtig für Integration
Die Sozialwissenschafterin Barbara Herzog-Punzenberger widmete
sich in ihrem Vortrag den wichtigen Themen Arbeit und Bildung und
machte auf die unterschiedlichen Ausbildungsniveaus und die
ungleichen Chancen am Arbeitsmarkt von Jugendlichen mit und ohne
Migrationshintergrund aufmerksam.
"Das Bildungssystem erlangt in der Wissensgesellschaft eine
immer größer werdende Bedeutung zur Integration der Gesellschaft.
Deshalb ist es wichtig, allen SchülerInnen unabhängig von sozialem
und kulturellem Hintergrund die gleichen Chancen zu bieten und
Strukturen zu schaffen, die allen Gesellschaftsgruppen den sozialen
Aufstieg ermöglichen. Voraussetzung dafür sind bildungspolitische
Rahmenbedingungen, die soziale Mobilität fördern - nicht hemmen. Der
Arbeitsmarkt ist schließlich ein Hauptmotor für die Integration der
gesamten Gesellschaft. Hier sind nach wie vor herkunftsspezifisch
große Unterschiede festzustellen: beim Übergang von Schule/Ausbildung
zum ersten Arbeitsplatz, in der Arbeitslosenrate sowie in der Chance
zur Weiterbildung. Es lässt sich für die Anwerbegruppen aus
Ex-Jugoslawien und der Türkei jedoch sowohl in der Bildung als auch
am Arbeitsmarkt eine zunehmende Aufwärtsmobilität über die
Generationen hinweg beobachten."
Zwischen Moschee und Disco
Der Religionssoziologe Mouhanad Khorchide beschäftigte sich in
seinem Vortrag "Zwischen Moschee und Disco" u.a. mit Klischees und
Vorurteilen gegenüber MuslimInnen. Er beanstandete, dass im
öffentlichen Diskurs selten eine differenzierte Auseinandersetzung
mit den verschiedenen Formen und Folgen religiösen Verhaltens
stattfindet:
"MuslimInnen, die sich mehr oder weniger an die Gebote und
Verbote des Islam halten, gelten für viele als "traditionell", und
nur diejenigen, die sich von der religiösen Praxis distanzieren, als
"modern". Diese Sichtweise, die nur vom Grad des Praktizierens der
Religion ausgeht, vernachlässigt nicht nur die subjektive Bedeutung
der Religion, sondern auch ihre gesellschaftlichen Auswirkungen im
Alltag der MuslimInnen. Daher kommt es nicht selten zu Fehl- bzw.
Vorurteilen und Pauschalisierungen: Mädchen, die Kopftuch tragen,
werden als sehr traditionell, bisweilen als schwer integrierbar
eingestuft. Auf der anderen Seite werden Jugendliche, die sich
weniger oder gar nicht an die Gebote der Religion halten, pauschal
als modern, liberal und leicht integrierbar angesehen. Viele Studien,
die sich mit der Religiosität der MuslimInnen in Europa befassen,
zeigen allerdings, dass eine Bandbreite an Motiven und Zugängen zum
Islam und somit unterschiedliche Formen der Religiosität,
existieren".
Vorbilder mit migrantischen Hintergrund
Bülent Öztoplu, langjähriger Sozial- und Jugendarbeiter zeigte
auf, welche Faktoren einen positiven Integrationsprozess erschweren
und im Gegenzug bewirken können, dass Jugendliche in
Parallelgesellschaften abtauchen. Als Problemfelder ortete er u.a.
das Desinteresse der Mehrheitsgesellschaft, den sozialen Rückzug von
MigrantInnen sowie das Fehlen von Perspektiven, Vorbildern und
Aufstiegsmöglichkeiten.
"Damit Jugendliche Integration als erstrebenswert und lustvoll
erleben, brauchen sie reale Vorbilder aus unterschiedlichsten
Berufsfeldern, die motivierend für sie sein können. In Österreich
gibt es leider wenige junge Erwachsene, die diese Bilder
repräsentieren könnten. Es gibt kaum JournalistInnen, KünstlerInnen,
RichterInnen, PolitikerInnen etc. mit migrantischem Hintergrund. Es
gibt für Jugendliche der zweiten Generation kaum Zugang zu Berufen in
der öffentlichen Verwaltung und anderen Schlüsselpositionen. In der
Polizei, in den Gerichten, an den Schulen sind Menschen mit
migrantischem Hintergrund deutlich unterrepräsentiert - obwohl ihre
Sichtbarkeit gerade an diesen Stellen viel zur Glaubwürdigkeit der
Institutionen beitragen und die Verständigung fördern könnte."
Weitere Infos zur Tagung "Verkehrte Bilder" erhalten Sie von
Ruth Schwarzbauer, Leitung institut für freizeitpädagogik,
Tel. 4000 83 411, eMail: ruth.schwarzbauer@wienXtra.at
Biographische Angaben zu den ReferentInnen
Mag.a Barbara Herzog-Punzenberger studierte Kultur- und
Sozialanthropologie an der Uni Wien und erlangte das Postgraduierten
Diplom Politikwissenschaft am Institut für Höhere Studien. Sie ist
Migrationsforscherin an der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, Lektorin an der Universität Wien und Mitglied des
EU-Mgrationsforschungs-Netzwerkes IMISCOE.
Univ-Ass.Lic. Mag. Mouhanad Khorchide wurde als Sohn
palästinensischer Eltern im Libanon geboren, wuchs in Saudiarabien
auf und lebt seit 1989 in Österreich. Er ist Assistent für Islamische
Religionspädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der
Universität Wien, Religionssoziologe, Islamische
Religionspädagogische Akademie, Imam.
Bülent Öztoplu wurde in der Türkei geboren und lebt seit 1980 in
Österreich. Als Sozialarbeiter war er viele Jahre beim Verein Wiener
Jugendzentren(Back on Stage) tätig. Er initiierte den
Integrationsverein Echo und die Zeitschrift Echo und war Herausgeber
des Multikulturellen Stadtmagazins BIBER. (Schluss) spe
Rückfragehinweis:
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