• 18.03.2008, 17:36:06
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WirtschaftsBlatt-Leitartikel: Wenn der Schlachtenlärm verstummt - von Michael Laczynski

Die Folgen der Krise werden uns noch lange beschäftigen

Wien (OTS) - "Things fall apart, the centre cannot hold." Als der
irische Dichter William Butler Yeats diese Zeilen vor mehr als 80
Jahren schrieb, hatte er etwas anderes im Sinn als die Wirtschaft.
Doch seine Worte passen gut zu der heute an den Finanzmärkten
vorherrschenden Stimmung. Dort überschlagen sich die Ereignisse, und
die Zweifel an der gestalterischen Kraft aller Kontrollinstanzen
mehren sich.

Es ist schwer, inmitten des Schlachtgetümmels kühlen Kopf zu
bewahren. Daher verwundert es nicht, dass Experten wie aufgescheuchte
Hühner hin und her rennen und eine dramatische Prognose die nächste
jagt: Während die einen glauben, dass die Banken ihre Bilanzen bis
Mitte des Jahres bereinigt haben werden, gehen andere von einem
Zeitraum bis Anfang 2009 aus. Ähnliche Verwirrung herrscht bezüglich
der Summe der Abschreibungen - sind’s 400, 600 Milliarden Dollar oder
gar eine Billion? - und der Auswirkungen des Schlamassels auf die
Realwirtschaft. Seriöse Schätzungen über Länge und Ausmaß der Krise
sind dieser Tage ein Ding der Unmöglichkeit, doch eines ist gewiss:
Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, werden wir eine
wirtschaftliche Landschaft erblicken, die sich - zumindest in den
folgenden Punkten - von der alten Ordnung unterscheiden wird.

Erstens: Banken werden an Sexappeal einbüßen. Die Ära der exotischen
Finanzinstrumente, die die jüngste Krise überhaupt erst ermöglicht
haben, ist vorbei - und damit auch die astronomischen Gehälter der
risikofreudigen und verantwortungslosen Jungbanker. Seriösität ist
wieder angesagt, Ärmelschoner und mausgraues Flanell feiern ein
Comeback.

Zweitens: Der Turbokapitalismus wird den Frontalzusammenstoß mit der
Wirklichkeit nicht ohne Schaden überstehen. Während vor einigen
Jahren neoliberale Aktivisten wie Grover Norquist den Staat am
liebsten in der Badewanne ertränken wollten, fordert heute Deutsche
Bank-Chef Josef Ackermann "mutige Schritte" der Regierungen. Papa
Staat soll’s also wieder richten.

Drittens: Die USA werden auf absehbare Zeit kleinere Brötchen backen
müssen. Wenn in einem Land der Privatkonsum für knapp 70 Prozent der
Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, gleichzeitig aber die
Gehälter seit Jahren stagnieren, die Sparquote negativ ist, die
Arbeitslosigkeit steigt und alle Kreditmöglichkeiten erschöpft sind,
dann braucht man kein Genie zu sein, um zu erkennen, dass es so nicht
mehr weitergehen kann. Was folgt, wird auch uns in Europa noch lange
beschäftigen.

Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Redaktionstel.: (01) 60 117/300
http://www.wirtschaftsblatt.at

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